Drachenlord-Urteil: „Das Versagen fand früher statt“
Von Sebastian Eder.
30.10.2021-12:31
Der Youtuber Drachenlord hat Berufung gegen eine Haftstrafe eingelegt. Trifft das Urteil den Falschen? Ein Interview mit Dennis Leiffels, der 2016 eine Dokumentation über den Fall drehte – und dann selbst ins Visier der Feinde des Drachenlords geriet.
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Mich hat das Thema Cybermobbing lange beschäftigt. Es ist unglaublich schwierig, das greifbar zu machen. Dieser Mikrokosmos um den Drachenlord steht exemplarisch für das, was im Internet alles möglich ist. Welche Macht man als Mensch dort hat, welche Gewalt und welchen Schaden man anrichten kann – aber wie man sich auch auf der anderen Seite falsch verhalten kann, indem man immer wieder die Öffentlichkeit sucht, provoziert und fragwürdige Sachen ins Internet stellt. Daraus kann eine Spirale entstehen. Und man sieht sehr gut, wie überfordert alle damit sind. Ich habe am Anfang Staatsanwaltschaften gefragt, was genau passiert, wenn man in solchen Fällen Anzeige erstattet. Die zuständigen Ermittler konnten teilweise Twitter nicht von Facebook unterscheiden. Es ist bis heute so, dass selbst Politiker von irgendwelchen anonymen Hanseln bedroht werden, und da keiner etwas gegen machen kann. Das betrifft nicht nur den Mikrokosmos Drachenlord, auch Berufspolitiker haben jeden Tag damit zu tun, dass sie bedroht werden. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum – aber ein rechtsfolgenfreier.
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Sind denn wirklich alle Vorwürfe, die dem Drachenlord von seinen Hatern gemacht werden, aus dem Zusammenhang gerissen? Es gibt ja auch fragwürdige Kommentare zum Holocaust von ihm und andere verstörende Zitate.
Nein, das ist alles unendlich komplex. Mir hat ein Psychologe mal erklärt, dass es oft vorkommt, dass Gemobbte selbst zu Mobbern werden. Es ist eine Spirale. Eine einfache Antwort ist bei diesem Fall immer falsch. Der Drachenlord ist nicht nur missverstanden, die Hater sind nicht alle kriminell, die Hater sind auch nicht alle dumm. Ich habe Leute getroffen, die sind Bauingenieure, Familienväter, Studenten, Auszubildene, Informatiker, da ist alles dabei.
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Wird das in den Koalitionsverhandlungen gegenwärtig mit auf den Tisch gebracht, wie man diesen Raum ohne Rechtsfolgen abschließen kann?
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