Welche Antworten geben eigentlich jene Wissenschaften, die sich ganz allgemein und dann meinetwegen spezialisiert mit dem "Abdriften in gewalttätige Kreise" beschäftigen, auf die Frage: Was geht im Kopf von Menschen so vor sich, die sich radikalisieren? Welche Voraussetzungen sind da gegeben? Welche Selbstauskünfte geben diese Menschen, wenn sie ihr Engagement denn überleben?
"Joachim Gerhards Maklerbüro ist in einem flachen Backsteingebäude untergebracht – in einem Hof hinter einem alten Mehrfamilienhaus in einem Multi-Kulti-Viertel nicht weit von der Uni. Vor dem ebenerdigen Büro-Eingang Gartentisch und Stühle. Hinterhofgemütlichkeit. Bevor seine beiden Söhne nach einigen Jahren Schauspielstudium und Lehre in Berlin in den Dschihad ziehen, arbeiten sie noch einige Monate im Maklerbüro ihres Vaters. Die Eltern der beiden jungen Männer sind seit langem getrennt. Die Rückkehrer aus der Hauptstadt leben in Kassel in der Wohnung des Vaters. Bald fühlen sich Gerhards Söhne und einige ihrer Freunde immer stärker von der Kasseler Salafistenszene angezogen: || "Und selbst die Abschiedsbriefe, da steht ja nichts Radikales drin. Nur alles mit Liebe und dankbar, dass sie sich bedanken wollen und alles. Und es tut ihnen leid, aber für ihren Weg, sie müssen da jetzt hingehen. Und sie wollen dort nach dem Glauben leben und das tut halt richtig weh. Und dann fragt man sich immer, was ist da in Wirklichkeit passiert? Wo sind diese Leute, die so was verursachen?" || Diese Fragen lassen Joachim Gerhard seit zwei Jahren nicht ruhen. Immer wieder fährt er an die türkisch-syrische Grenze, um nach seinen beiden Söhnen zu suchen. Anfangs hat er noch Telefonkontakt, versucht sie zu treffen. Vergeblich. Als er dann dabei hilft, einen anderen Jugendlichen, der zurückkehren will, aus dem IS-Gebiet herauszuschmuggeln – hat das Folgen. Der Kontakt zu seinen Söhnen bricht ab." (deutschlandradiokultur.de)