Sonntag, 1. August 2010

Kachelmann, die Aussagen und der Lügendetektor

Nun ja, er ist halt ein Profi. Ein Medienprofi. Während sich normale Jungen vom Lande schämen und womöglich verstecken würden, geht Jörg Kachelmann in die Offensive.

»Unterdessen forderte Kachelmann nach einem Bericht des Portals faz.net von der 'Bild'-Zeitung und der 'Bild am Sonntag' wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte Schmerzensgeld in Millionenhöhe. 'Bild' hatte unter anderem von angeblich bizarren sexuellen Vorlieben Kachelmanns berichtet. Der 52-jährige Schweizer war am Donnerstag nach rund viermonatiger Untersuchungshaft wieder auf freien Fuß gekommen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ordnete die Haftentlassung an, weil 'kein dringender Tatverdacht' bestehe, dass Kachelmann seine Ex-Freundin Anfang Februar vergewaltigt habe. Es stehe vielmehr 'Aussage gegen Aussage'.«

Kachelmann und BILD, da haben sich aber zwei gefunden!

"Laut 'Focus' soll nun ein fachpsychiatrisches Gutachten die Aussagetüchtigkeit des mutmaßlichen Opfers für den anstehenden Prozess überprüfen. Damit sei der Leiter des Instituts für Forensische Psychiatrie der Freien Universität in Berlin, Hans Ludwig Kröber, beauftragt worden. Zudem will die 5. Große Strafkammer am Landgericht Mannheim Kachelmann selbst psychiatrisch begutachten lassen. Im Gespräch dafür sei der Neurologe, Psychiater und Psychotherapeut in Heidelberg, Hartmut Pleines."

Der nicht-professionelle Mensch fragt sich in Richtung Psychologie, Psychiatrie und Gericht, ob denn da nicht in den vergangenen 100 Jahren Zeit war, Verfahren zu ersinnen, die die Glaubwürdigkeit eines Menschen "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" feststellen. Ich meine: Forensiker lassen auf irgendwelchen Farmen Leichen im Freien liegen, nur um herauszufinden, wie sie Todeszeitpunkte am besten bestimmen können, und sind da doch ziemlich erfolgreich. Sollte man da von den Seelen-Menschen nicht verlangen können, dass sie sich was einfallen lassen. Wenn schon der gute alte Lügendetektor nicht erlaubt ist.

Und dann wäre da noch die Frage, ob sich Kachelmann und -- die Benennung der Staatsanwaltschaft -- "seine 36 Jahre alte langjährige Freundin, die sich von ihm trennen wollte" nicht freiwillig einem Lügendetektor-Test unterziehen könnten. Um der Wahrheit wenigstens näherungsweise ein wenig was zum Futtern zu geben. Um es mal so auszudrücken.

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Fund im SPIEGEL vom 24.07.2003:

BGH erklärt Lügendetektor für ungeeignet
Lügendetektoren werden vor deutschen Gerichten auch weiterhin keine Chance haben. Der Bundesgerichtshof erklärte die Geräte am Donnerstag als Beweismittel für generell ungeeignet.

Karlsruhe - Laut dem Beschluss gilt dies auch für Zivilverfahren: Beispielsweise, wenn ein Fall von sexuellem Missbrauch Schadenersatzforderungen oder familienrechtliche Streitigkeiten nach sich zieht.

Bereits Ende 1998 hatte der BGH den Glaubwürdigkeitstest mit Hilfe eines Polygraphen (wie der Lügendetektor eigentlich heißt) für Strafprozesse als "völlig ungeeignetes Beweismittel" abgelehnt.
[...]
Der VI. BGH-Zivilsenat schloss sich dem Urteil der Kollegen vom 1. Strafsenat an, die 1998 auf der Grundlage mehrerer wissenschaftlicher Gutachten zu dem Ergebnis gekommen waren, die Methode sei völlig ungeeignet.

"Im Zivilprozess werden an die Eignung eines Beweismittels die gleichen Anforderungen gestellt wie im Strafprozess", befand nun der Zivilsenat. Auch eine weitere Variante, den so genannten "Tatwissenstest", halten die Richter jedenfalls dann für untauglich, wenn der Beschuldigte schon zuvor mit Details der Tat konfrontiert worden war.

Ich werde den Verdacht nicht los, dass die Richter was gegen solcherlei Objektivierungen haben, weil diese dem ewigen quasselnden Hin-und-Her, von dem die Justiz ja lebt und das sie als ihr Metier ausgibt, einen kleinen Teil wegnehmen könnten. Was würden allein die psychiatrischen Gutachter an Arbeit und Geld verlieren! Und die Richter an Interpretationspielraum.

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