Sonntag, 5. März 2017

Der Literatur-Kanon

Dass die Menschen möchten, dass es eine Auswahl aus der unglaublichen Fülle gibt, eine Auswahl, an die sich halten können, das ist verständlich. Für die Schulen und für interessiert gebliebene Erwachsene erscheint darum hier und dort immer wieder ein "Literaturkanon". Nun also ist, nicht mehr ganz neu, das im SPIEGEL zu lesen

Ausgabe 42/2016 | SPIEGEL-Kanon || Die 50 wichtigsten Romane unserer Zeit || Vor 15 Jahren präsentierte Marcel Reich-Ranicki im SPIEGEL die wichtigsten Werke der deutschen Literatur. Nun haben sechs SPIEGEL-Redakteure einen neuen Kanon erstellt - denn unsere Welt hat sich verändert.

Was ist der Witz an der Sache? Nun, es wird hier der Begriff des Kanons munter auf den Kopf gestellt und dann aufgelöst. Denn wenn der Kanon etwas sein soll, dann doch wohl etwas Überzeitliches. Natürlich weiß jeder: Das ist unmöglich! Aber so ist das halt mit den großen utopischen Begriffen -- Liebe, Freiheit, Gerechtigkeit --, in den Niederungen des Alltags sind diese Begriffe allesamt sehr relativ. Aber als utopische Begriffe sind sie in Stein gemeißelt und für die Ewigkeit. Wenn einer also einen Kanon für das Lesen von Romanen aufstellt, dann muss er den Anspruch haben: So und nicht anders, für immer und ewig! Nicht so der SPIEGEL, dessen charm aus seiner Anpassungsfähigkeit herrührt. Diesem "Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg." (Wer mag, der kann einmal die Berichterstattung des SPIEGEL über die Piraten-Partei verfolgen. Als diese kurz, doch komentenhaft aufstieg, war der SPIEGEL voll des erschütternten Lobes. Dann gings dahin und wieder hinunter mit der Partei, und der SPIEGEL kommentierte genüßlich das Niedergehen.

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Und über aller Schönen Literatur: ein sich drehender Rasierapparat, die Werbung. Und dann die Frage: Wie geht es dem SPIEGEL eigentlich so. Wirtschaftlich meine ich. Wenn er solche gefühllosen Sperenzchen nötig hat.