Donnerstag, 2. März 2017

Christopher Schmidt

Christopher Schmidt, Literaturchef der Süddeutschen, ist, offenbar überraschend, in der Nacht von vorgestern auf gestern gestorben. Er war 52 Jahre alt. Ein Nachruf von Sonja Zekri in der SZ, heute.

Zu den Klischees über Feuilletonisten gehört, dass sie handwerklich nur begrenzt einsetzbar sind. Christopher Schmidt, Feuilletonredakteur der Süddeutschen Zeitung seit 2001, war wie in vielem anderen auch in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Er konnte unangemeldet in einer vollgerümpelten, frisch bezogenen Wohnung auftauchen, zerkaute eine Begrüßung zwischen den Zähnen, stellte den Werkzeugkasten auf den Boden und schritt als Erstes mit Fahnderblick die Zimmer ab. Drückte Klinken. Schraubte Griffe. Fixierte Knäufe. Er hasste Pfusch und halbe Sachen. Schlampereien beim Dübeln oder beim Denken waren ihm gleichermaßen wesensfremd. Dass sich andere an ihm ausrichteten wie Eisennadeln an einem Magneten, hatte eine fast physikalische Logik.

Das ist ein schöner, nicht alltäglicher, anrührender Beginn. Wahrscheinlich war damals die "frisch bezogene Wohnung" die der Autorin. Dass Schmidt nicht nur gut schreiben konnte, sondern auch noch gut aussah -- vielleicht nicht richtig, das im Augenblick der Todesmeldung zu sagen. Aber dieses sympathische, jugendliche Aussehen, das das SZ-Bild vermittelt, es steigert halt die Überraschung über diesen Tod noch um einige Stufen.

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Wenn es darum geht, einem tragischen Tod etwas Tröstliches, weil Bemerkenswertes abzugewinnen, so habe ich das Bemerkenswerte, glaube ich, gefunden.

Auf einer mir bisher nicht bekannten Seite turi2.de eine kurze Notiz zum Tod von Christopher Schmidt. Ein einzelner Forumsbeitrag darunter. Der lautet wie folgt:

Ein Gedanke zu „Christopher Schmidt ist tot. | Bastian Conrad | 2. März 2017 um 9:53 | Habe Christopher Schmidt nicht gekannt, aber nie verstanden, warum er nicht bereit war, eine Rezension über das Shakespeare/Marlowe-buch zuzulassen.

Ich habe da gestutzt. Schreibt man so etwas, wenn jemand gerade gestorben ist? Und um welches Shakespeare-Marlowe-Buch geht es denn? Ich schaue nach und glaube, jetzt wird es doch ein wenig peinlich: Bastian Conrad, der Verfasser des Hinweises, er höchstselbst ist offenbar der Autor dieses 'Shakespeare-Marlow-Buches'!

Also das finde ich jetzt echt schräg! Jemand vom Feuilleton ist gestorben, und das erste, das einem Autor da einfällt, was er sogleich anführt: 'Das ist -- nein, das war der, der seinerzeit keine Rezension meines Buches bringen wollte!' Eine Form der extremen Egozentriertheit, ohne die man vielleicht nichts werden kann in der akademischen Welt; aber wenn diese Egozentriertheit so ungefiltert auftritt, dann -- ja dann ist offenbar doch eine Filter in Sachen Konventionen kaputt gegangen.

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* Bastian Conrad, ehemaliger Leiter der Neurologischen Klinik der TU München, also ein seriöser Mann, [!] präsentiert uns nun, wenngleich keineswegs als Erster, auf siebenhundert mit Herzblut geschriebenen, wiederholungsreichen Seiten Marlowe als Shakespeare, und damit „die einzige überzeugende [...] Lösung des jahrhundertealten Problems“. Das ,tödliche’ Argument gegen eine derart ausgedehnte posthume Existenz ist schnell vom Tisch: ein konspiratives Komplott, angeordnet von höchster Stelle, muss es sein, ein Scheintod, durch den seine hochmögenden Beschützer den Leichtfuß vor Folter und Galgen bewahren, um den Preis eines Identitätstausches mit einem tumben Stratforder Kaufmann namens Shakspere. (Um sich von seinem Strohmann wenigstens orthographisch abzusetzen, zeichnet Conrads Marlowe von nun an als Shakespeare.) Zum ,Beweis’ seiner These stellt uns der Autor für das Marlowesche Begräbnis sogar die Leiche eines Frischgehenkten zur Verfügung. (faz.net)