Dienstag, 12. Oktober 2010

Deutschland-Analyse 1: Hintergründe

Zuerst lso ein paar Stimmen aus dem Off, will sagen: aus der Presse:

"Selbstverständlich gibt es Unterschiede [...]. Wer in Stuttgart brüllt, würde vielleicht nicht für Sarrazin schreien, und umgekehrt. Aber es gibt Parallelen, es geht jeweils um Zukunftsvergessenheit. Der Wutbürger wehrt sich gegen den Wandel, und er mag nicht Weltbürger sein. Beide Proteste sind Ausdruck einer skeptischen Mitte, die bewahren will, was sie hat und kennt, zu Lasten einer guten Zukunft des Landes. Warum ist das so? Warum sind Bürger, die den Staat getragen, die Gesellschaft zusammengehalten haben, derzeit so renitent?"

"Der Wutbürger denkt an sich, nicht an die Zukunft seiner Stadt. Deshalb beginnt sein Protest in dem Moment, da das Bauen beginnt, also die Unannehmlichkeit. Nun schiebt er das beiseite, was Bürgertum immer ausgemacht hat: Verantwortlichkeit, nicht nur das Eigene und das Jetzt im Blick zu haben, sondern auch das Allgemeine und das Morgen."

Quelle: ESSAY. DER WUTBÜRGER. STUTTGART 21 UND SARRAZIN-DEBATTE: WARUM DIE DEUTSCHEN SO VIEL PROTESTIEREN. VON DIRK KURBJUWEI. In: TDER SPIEGEL 41, 2010, S. 25.

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"Nun ist Marco Krause unverdächtig, grundsätzlich etwas gegen die Fliegerei zu haben. Er ist am Flughafen Tempelhof aufgewachsen, da hat er schon als Junge die schweren amerikanischen Maschinen aufsteigen sehen. Seither wollte er nichts anderes als auch da rauf. Und jetzt? Fliegt er sich die eigene Existenz kaputt. 'Ja', sagt er und zögert. 'Hätte man sich sicher nicht so gedacht.' Eine knappe Million dürfte sein Haus wert sein. Wenn es mal in der Flugschneise liegt, vielleicht noch die Hälfte, schätzt er.// Natürlich will Krause damit nicht gesagt haben, dass es jetzt nach dem Sankt-Florians-Prinzip geht, also immer nur die Häuser der anderen dran glauben sollen. 'Man muss dafür sorgen, dass möglichst wenig Leute betroffen sind', sagt er. Irgendwo muss der Flughafen hin, Berlin hätte ihn schon vor Jahren gebraucht. 'Aber hier wird etwas verfolgt, das es weltweit nicht gibt. Hier wird mutwillig und ohne Not Flugverkehr über besiedeltes Gebiet gezogen.' // Wenn Berlin das besiedelte Gebiet ist - wo ist dann eigentlich das unbesiedelte?"

Quelle. Das war die Berliner Luft. Auch in der Hauptstadt gibt es einen gutbürgerlichen Aufstand - in den besten Lagen der Stadt wird es unruhig, weil die Routen des neuen Flughafens genau dort entlangführen, wo Leute mit Geld und Ruhebedürfnis wohnen. Von Constanze von Bullion. In: Süddeutsche Zeitung Nr.236, Dienstag, den 12. Oktober 2010, Seite 3.

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