Donnerstag, 28. Oktober 2010

Argumentation, politische

Politisches Argumentieren geht -- reden wir mal nur von Deutschland -- in nahezu jedem Fall so: Der konkrete homo politicus x-ensis hat aus dem Bauch heraus eine Meinung X. Jetzt sucht er nach allem, was seine Meinung stützt und formuliert das, was er da findet, in die formale Gestalt des Arguments um: "Wir müssen A tun, weil (sonst) B." bzw. "C ist der Fall, weil D." Jeweils andere Argumente werden nur zu Hintergrundfolien, die entweder gar keines Blicks gewürdigt werden oder als "seltsam" oder "nicht ernst zu nehmend" heruntergestuft werden.

Zwei Beispiele.

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A: Rente mit 67

Horst Seehofer sagt zur Rente mit 67, verstehe ich ihn recht: "Wenn die Arbeitgeber bzw. 'der Arbeitsmarkt' nicht genügend Arbeitsplätze für über 65jährige zur Verfügung stellt -- direkter und praktischer: wenn über 65jährige nicht in Arbeit gehalten oder ihnen neue Stellen ernsthaft angeboten werden -- dann kommt diese 'Rente mit 67' einer Rentenkürzung gleich." (Man könnte hinzufügen: Dann kürzt die Renten doch gleich und sagt das offen, statt zu tricksen!)

Was passiert: Leute, die etwas gegen Seehofer haben, schauen sich diese ja doch nicht allzu komplizierte Denkfigur erst gar nicht an, sondern kommen daher mit dem: "Ach ja, der Seehofer schon wieder! Selbstdarsteller und Quertreiber halt!" Dabei sollte man doch mal versuchen zu erklären, was an diesem Argument falsch ist -- ob man den Herrn Ministerpräsidenten Seehofer nun mag oder nicht. Wo aber geschieht das? Das wäre ja keine Profihafte politische Aktion, wenn man da das Argument prüfen würde!

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B: Asylrecht und Asylpraxis
mit Haltungen wie

Kaum jemand ist, wie es scheint, in der Lage, beide Standpunkte mit den dazugehörigen Problemen zugleich und ohne umgebendes Brimborium zu denken.

Menschen in wirtschaftlicher Not und / oder politischer Verfolgung zieht es dahin, wo es ihnen und ihren Kindern vielleicht besser geht. Wo immer sie leben, was immer sie sind. Wer wollte es ihnen verdenken, wenn sie gegebene Situationen ausnützen und von ihren angestammten Plätzen wegziehen, hin zu den erhofften besseren Plätzen? (Der Begriff Wirtschaftsflüchtling ist grundsätzlich ziemlich dümmlich: Wer in seinem Land auf keinen grünen Zweig kommt -- aus welchen Gründen auch immer --, dem geht es einfach schlecht. Das ist alles. Ob eine Not nun wirtschaftlich oder politisch begründet ist, ist sehr nebensächlich. Im Zweifelsfall müsste der Wirtschaftsflüchtling in seinem Land in der Regel nur zweimal auf einem öffentlichen Platz "Nieder mit unserem Präsidenten XY!" rufen und schon wäre er ein politisch Verfolgter.)

Wenn Länder, denen es relativ gut geht, alle ausreisewilligen Notleidendn der Welt aufnehmen wollten, ginge es ihnen bald wirtschaftlich und auch sonst nicht mehr gut. Es würde sie sehr rasch wirtschaftlich und "migratrions- und integrationstechnisch" heillos überfordern.

Die Lösung, die man anstreben muss, ist eine Lösung inmitten eines heillosen Dilemmas. Beide Seiten, die Asylanten-Verteidiger wie die Asylanten-Reduzierer, müssten einmal sagen, wie sie, KONKRET, KONKRET BITTE!, die Linie ziehen wollen. Ohne juristisch-wolkige Allgemeinformulierungen des Typs: "Das Nähere regelt ein Bundesgesetz."

a) Wer, der welche Eigenschaften / Notlagen nachweisen kann, soll wo wohnen und wie integriert werden?
b) Wie viele Menschen der Gruppen X, Y, und Z können pro Jahr im Land D aufgenommen werden?
b) Was geschieht mit denen, die nicht unter diese Regelungen fallen, denen es aber dennoch -- sonst wäre er ja nicht gekommen -- zuhause sehr schlecht geht, wirtschaftlich und / oder politisch?

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Ja, das zentrale Problem ist ein Sprachliches! Wir müssen in unserer politischen Argumentation lernen, sehr, sehr konkret zu werden. Merke: Einige wenige Fallbeispiele sind immer hilfreich, aber natürlich kein Allheilmittel. Tausend Fallbeispiele aber, quer über die Reihe der Betroffenen verteilt, ergeben ein Gesamtbild über das sich, mit Rückgriff auf Konkretes, reden lässt!

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