Was soll den "postfaktisch" nun bedeuten? Vielleicht unter anderem auch das: Es ist schwierig, an die "Fakten" zu kommen, zu einen, weil auch scheinbar einfache Fragen viel Aufwand für die Antwortfindung mit sich bringen. Zum anderen aber auch, weil, wenn man nicht einfach wissenschaftsgläubig ist und sich für das Procedere der Untersuchungen interessiert, die Methoden einfach auch in den schlichtesten Dingen nicht mitüberliefert werden. Nehmen wir zwei zumindest leicht gegenläufige Berichte, beide von der Web-Site der FAZ:
Neue Studie | Deutsche überschätzen Anteil muslimischer Bevölkerung enorm || Deutschland werde von muslimischen Zuwanderern überschwemmt, fürchten viele hierzulande – doch eine neue Studie zeigt: Zwischen Gefühl und Realität klafft nicht nur in Deutschland eine große Lücke. 14.12.2016 [...] Die Deutschen überschätzen den Anteil der muslimischen Bevölkerung und deren künftigen Anstieg enorm. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des britischen Meinungsforschungsinstituts Ipso Mori, in der die Einwohner von 40 Ländern weltweit befragt wurden. Einer von fünf Deutschen – 21 Prozent der einheimischen Bevölkerung – sei derzeit muslimischen Glaubens, schätzten die Befragten – in Wirklichkeit ist es laut einer Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) aber nur etwa einer von zwanzig. [...] In den Vereinigten Staaten schätzten die Befragten den Anteil der Muslime auf durchschnittlich 17 Prozent – tatsächlich liegt er nach Angaben des Pew Research Centers nur bei etwa einem Prozent. Besonders bei der Projektion in die Zukunft lagen die Amerikaner zudem daneben: Im Schnitt vermuteten sie den Anteil der Muslime im Jahr 2020 auf 23 Prozent – in der tatsächlichen Prognose sind es lediglich 1,1 Prozent. | Für die Umfrage wurden zwischen dem 22. September und dem 6. November insgesamt 27.250 Menschen in 40 Ländern befragt. (faz.net)
Migrationsbericht 2015 | Zahl der Muslime in Deutschland steigt || Das erste Mal seit 2009 liegen wieder gesicherte Daten über die Zahl der Muslime in Deutschland vor. Weniger als sechs Prozent der 81,4 Millionen Deutschen bekennen sich danach zum Islam. Deutlich mehr als vor sieben Jahren. | 14.12.2016, von ECKART LOHSE, BERLIN (faz.net)
Erst einmal: Ganz und gar widersprechen tun sich diese beiden Meldungen nicht. Allerdings, sie würden sich auch nicht widersprechen, wenn man sie in den offensichtlichen Nonsense treibt.
Gedankenexperiment: Angenommen, es lebten 45 Prozent Muslime hier, die Leute würden schätzen, dass es 60 Prozent sind. Auch hier gewaltig überschätzt, um etwa den Betrag wie jetzt, in der Realität. Die Anzahl der Muslime hat sich in den vergangenen zwei Jahren um 15 Prozent erhöht. Eine Sache wird dann nicht gesagt: Dass die Menschen damit damit rechnen können, dass die Muslime bald in der Mehrheit sein werden.
Vor allem aber wird nicht erwähnt, wie gezählt wurde, ausgerechnet vom Bamf. Es gibt ja wohl keinen Eintrag in Personalakten oder bei den Einwohnermeldeämtern. Und wenn doch: Wenn es keine Kirchensteuer als formales Kriterium gibt, wie wird da die Wahrheit überprüft. Und der Bogen spannt sich von den Salafisten bis zu denen, die sich halt 'irgendwie muslimisch' fühlen, ohne ihren Glauben zu leben.