Vergleiche auch hier!
Da vermeldet am 08.11.20 10 der SPIEGEL und die LEGAL TRIBUNE einvernehmlich online, mit (c) bei der dpa:
Da vermeldet am 08.11.20 10 der SPIEGEL und die LEGAL TRIBUNE einvernehmlich online, mit (c) bei der dpa:
Lügendetektor im Strafprozess
Weit entfernt vom "Einblick in die Seele"
Im Prozess gegen Jörg Kachelmann wegen angeblicher Vergewaltigung könnte es zu einer Gutachterschlacht kommen, sollten auch nach den Aussagen weiterer Ex-Freundinnen Zweifel an den Vorwürfen von Sabine W. bestehen. Wäre es nicht leichter, man unterzöge sie und den Moderator einem Lügendetektortest? Dr. Stefan Seiterle über eine in Deutschland hoch umstrittene Methode.
Schon lange gibt es Versuche, auch in Deutschland den Lügendetektor im Strafprozess einzusetzen. 1954 verbot der Bundesgerichtshof (BGH) dies jedoch selbst für den Fall, dass der Angeklagte dem Test zustimmt. Begründung: Der Test verletze die Menschenwürde des Angeklagten, weil man mit ihm "Einblick in seine Seele" nehmen könne (Urteil vom 16.02.1954, Az: 1 StR 578/53).
Nun ist das ja wirklich so eine Sache. Man könnte ja auch denken, dass es nachgerade ein Kunstfehler wäre, wenn in einem Prozess nicht in die Seele des Angeklagten geschaut würde. Und kaum hat man das gedacht, kommt man doch drauf, dass da was nicht stimmen kann: Wie will ein Gericht Vorsatz, Fahrlässigkeit (ohne Vorsatz) und Versehen (ohne Vorsatz und Fahrlässigkeit) unterscheiden, ohne in die Seele zu blicken? Es geht doch immer um eine oft höchst fragwürdige Rekonstruktion innerer Zustände zur Tatzeit.
Da lohnt es sich doch, den Gesetzestext in seiner eigentlich und reinsten Form anzuschauen:
§ 212 STGB || Totschlag || (1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
Eine solche Festlegung würde in den normalen Wissenschaften, Abt. Definitionslehre, Unterabt. Ausführungsbestimmungen mit einem glatten Ungenügend bewertet! Eine Definition ex negativo und, wie formuliert, mit Ausschließlichkeitsanspruch, die sich auf eine andere Bestimmung als Abgrenzung bezieht -- das geht doch nicht! Da wäre der Bauer, der versehentlich sein Kind mit dem Traktor überfährt, ein Totschläger!? Denn getötet hat er einen Menschen, und ein Mörder ist er nicht.
Nun aber zum Lügendetektor: Mal abgesehen davon, dass die Begründung von 1954 jenseits des Nachvollziehbaren liegt -- da geht also ein Mensch, damit seine Menschenwürde gewahrt bleibt, durch Justizirrtum besser für 6 Jahre in den Knast. Denn seien wir ehrlich: Im Normalfall kann es nicht schlimmer kommen als zur Verurteilung XY. Und die Richter und Schöffen ließen sich schon beeindrucken, wenn -- und jetzt kommt es: drei unabhängige Lügendetektor-Unterschungen zum selben Ergebnis "nicht schuldig" kommen würden. Wie denn auch nicht? Und sind inzwischen die Tests gemacht worden, die zeigen, dass auch heute noch neuere Lügenentdeckungsmaschinen nicht doch besser sind als die von 1960?
Seien wir ehrlich: Hier waltet keine objektive Einsicht, sondern die Angst der Juristen, dass ihnen das Verfahren teilweise aus der Hand genommen werden könnte. Es ist eine Verwaltung des Herrschaftsanspruchs der juristischen Kaste, nicht mehr. Denn Kautelen einbauen ins Verfahren, das könnten wir doch allemal.
Und by the way: Wir könnten uns doch einfach mal um eine Verbesserung bemühen des polygraph (popularly referred to as a lie detector) bemühen! Statt ständig nur auf seine Unzulänglichkeiten hinzuweisen!
Ein linguistisches Problem wird bei allen Untersuchungen und auch beim irgendwann perfekten Lügendetektor bleiben: Was im konkreten Fall und vom konkreten Menschen den Items Vergewaltigung und einvernehmlicher Geschlechtsverkehr (o ihr Juristen und eure Sprache!) zugeordnet wird, ist an den Rändern immer eine Sache des Ideolekts.
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