Freitag, 17. Dezember 2010

Dämmerung, im Winter




Manfred Hausmann

Weg in die Dämmerung


Bald will's Abend sein.
Stumm steht das Geheg.
Und ich geh' allein
den verschneiten Weg,

der, vom Hang gelenkt,
sich mit leisem Schwung
leiser abwärts senkt
in die Niederung.

Birken, starr von Eis,
Pfahlwerk, unbehaun,
Dorn und Erlenreis,
ein verwehter Zaun

geben seiner Spur
anfangs das Geleit,
dann gehört er nur
der Unendlichkeit,

die verdämmernd webt
und ihn unbestimmt,
wie er weiterstrebt,
in ihr Dunkel nimmt.

Reif erknirscht und Schnee
unter meinem Schuh.
Weg, auf dem ich steh',
dir gehör' ich zu.

Wer des Lichts begehrt,
muss ins Dunkel gehn.
Was das Grauen mehrt,
lässt das Heil erstehn.

Wo kein Sinn mehr mißt,
waltet erst der Sinn.
Wo kein Weg mehr ist,
ist des Wegs Beginn.

--

Immer wieder die Überlegung, ob man heute die beiden letzten Strophen nicht weglassen sollte. Nicht nur wegen der Verliebtheit ins Grauen und der seltsamen Dialektik, der zufolge das Weglose der Weg ist.

--

Nachtrag, am 13.11.2014: Früher gab es mal eine große Diskusson im Rahmen der sog. Faschismus-Theorien. Frage immer: Wie konnte der Faschismus das werden, was er am Ende war? Man muss dieses Gedicht mit in diese Überlegungen einbeziehen. "Was das Grauen mehrt / lässt das Heil erstehen." Viele haben das wohl 1930 so empfunden. Wie konnte das sein?

Und noch ein Fund dazu, hier.