Sie liest im Magazin der Süddeutschen Zeitung einen Artikel über die Liebe. Sie legt ihm den Artikel am nächsten Morgen neben die Kaffeetasse. Ein klares, schweigendes Siehst-du.
Er ist Journalist, und also setzt er sich am Abend dieses Tages an den Schreibtisch und beginnt einen Essay, der ihn später berühmt macht. Gefeiert bei den einen, gehasst und mit herabsetzenden Kommentaren im Internet versehen von den anderen. Der Titel seines Essays: Wasch mir den Pelz, aber mach nicht nicht nass. Seine Thesen sind eher schlicht und lauten ungefähr so: Wenn die Leute halbwegs frei sind in ihren privaten, also auch in ihren Liebesentscheidungen, dann wollen sie auf einmal alles. Auch das Unvereinbare. Und auf die, die sagen, das Unvereinbare, das könne man definitionsgemäß nicht bekommen, schauen sie herab. Spießer! Rationalisten, unfähig zu großen Gefühlen! Unter dem Pflaster liegt der Strand! Seid realistisch! Verlangt das Unmögliche! Die alte 68er Leier eben. Er hatte nicht vor, auf die 68er zu schimpfen; aber als es soweit war, ließ es sich einfach nicht vermeiden. Er hatte Rainer Langhans in einer Talkshow gesehen. Ein Vorbild für die, die lernen wollen, würdelos zu altern, schrieb er.
… Vor allem sein Post-Kommune-Experiment in München fasziniert die Medien noch immer. Zusammen mit Christa Ritter, Brigitte Streubel, Anna Werner und den Zwillingsschwestern Jutta Winkelmann und Gisela Getty lebt Langhans in einem - wie er sagt - Harem.
Sind es vor allem die Frauen, die das Unvereinbare wollen? Weil sie halt, und das halten sie für sehr positiv, so romantisch und gefühlsbetont sind. Das Unvereinbare zu wollen, das ist gut und verständlich, sagte er in seinem Essay. Solche Wünsche seien im menschlichen Wesen nun einmal angelegt. Aber nicht mehr erkennen zu können, dass der Wunsch nach heiler Familie und ruhigem Leben auf der einen Seite, und der Wunsch nach täglicher Liebesaufgeregtheit ein ziemlich bescheuertes Alles-auf-einmal-Begehr ist – das nicht erkennen zu können, sei intellektuelle Unfähigkeit, die sich für Echtheit und Unbedingtheit ausgibt. Die Schmetterlinge im Bauch der gesettelten Bürger, die seien, allein schon als Vorstellung, ziemlich unappetitlich.
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Sie verließ ihn dann, und sie lernte das Unbedingte der großen Gefühle noch einmal kennen. (Oder, um genau zu sein: Kennengelernt hatte sie den Unbedingten schon ein halbes Jahr früher. Jetzt lebte sie ihre großen Gefühle aus.) Als langsam, nach einem weiteren halben Jahr mit einigen Tagen des Übergangs, der Alltag in ihre neue, zu Beginn so romantische Beziehung einkehrte, stand sie fassungslos vor ihrem neuen Mann, der sich nun Tag für Tag als ein halbwegs gutaussehender, egoistischer Idiot präsentierte. Zu sagen oder auch nur zu denken, dass sie aufgrund eines behämmerten Zeitungsartikels einen Fehler gemacht hatte, verbot ihr der Stolz, der ihr als letzte Zwangsjacke und zum Schutz ihres Lebensentwurfs noch geblieben war.
Er hatte geschrieben: "Wer guten Gewissens und ehrlich sagen kann, dass ein Jahr Sich-Glücklich-fühlen ein Restleben in dahin- dämmernder Unzufriedenheit aufwiegt, der soll seine Leidenschaft leben und sich hinterher nicht beklagen." Und also beklagte sie sich nicht.
Er hatte geschrieben: "Wer guten Gewissens und ehrlich sagen kann, dass ein Jahr Sich-Glücklich-fühlen ein Restleben in dahin- dämmernder Unzufriedenheit aufwiegt, der soll seine Leidenschaft leben und sich hinterher nicht beklagen." Und also beklagte sie sich nicht.
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