Das Folgende ist jetzt alles Zitat. Vorher aber die Frage: Wo leben wir eigentlich?! Ist es zu viel, wenn Normen, die -- schwer genug -- in der Mehrheitsgesellschaft unumstritten sind, auch durchgesetzt werden?
Er beschreibt, wie seine Schülerin Reyhan versucht, sich vom strengen Elternhaus zu lösen. „Nach einem Streit läuft sie von zu Hause weg und findet Zuflucht in einem Mädchenprojekt. Das Jugendamt sei eingeschaltet, berichtet sie. Den Eltern sei das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden. Die Adresse ihrer betreuten Wohngemeinschaft ist nicht einmal der Schule bekannt. Wochenlang erscheint der Vater täglich im Sekretariat, aber die Sekretärinnen weisen ihn ab. Reyhan hat Angst, und in ihrer Not bittet sie mich um Hilfe: ‚Ich weiß einfach nicht, wie ich aus der Schule raus und in meine Wohngemeinschaft kommen soll. Jeden Tag warten mein Vater oder mein Bruder an den Ausgängen, wenn ich Schulschluss habe. Die wollen mich kriegen.‘ Wir organisieren einen Fahrdienst mit Autos. Oft muss ich sie durch den Hinterausgang rausschmuggeln und mit meinem Auto zu ihrem Wohnprojekt fahren. (…)
Eines Tages kommt Reyhan nicht zur Schule, wir erfahren von ihrer Betreuerin, dass sie wieder in der Türkei sei. Gegen den Rat ihrer Betreuer sei sie zu einem ‚Versöhnungstreffen‘ mit den Eltern gegangen und bei dieser Gelegenheit sozusagen entführt worden. Wir hören lange nichts von ihr. Erst Jahre später berichtet mir Emine, dass Reyhan sich aus der Türkei gemeldet habe. Sie sei zwangsverheiratet worden, habe ein Kind und gehe jetzt ganz in Schwarz.“
"Jeden Tag warten mein Vater oder mein Bruder an den Ausgängen, wenn ich Schulschluss habe. Die wollen mich kriegen."
Ist das nun der Kampf der Kulturen oder ist er es nicht? Kann man auf den Vater und den Bruder mit nichts Eindruck machen? Kann man ihnen nicht klar machen, dass Tochter / Schwester hierzulande nicht ihr Eigentum sind? Soll man so etwas durchgehen lassen, nur weil es nicht vor der eigenen Haustür geschieht und es andere sind, die sich damit herumschlagen müssen?