Korrigierte Fassung meines Kommentars in der ZEIT, heute.
--
Schön, dass wir darüber kurz ins Gespräch kommen!
"Mit einer Verfassung schützt eine Generation ihre politischen Vorstellungen vor den politischen Vorstellungen künftiger Generationen. Das kann richtig oder falsch sein, kommt immer darauf an, wie diese Vorstellungen propagiert werden."
Vorab, jetzt wird es leicht polemisch: Wenn es auf das Propagieren von Vorstellungen nur ankommt, dann ergeben sich die argumentativen Leerstellen:
- Wem gegenüber propagiert?
- Mit welchen Eingriffsmöglichkeiten des Adressaten?
- Gibt es keine überzeitlichen Größen, an denen die Legitimität von Regimen gemessen werden könnte? (Macht jedes Regime seine eigenen „Menschenrechte“, die mit seinen Vorstellungen von Herrschaft und der tatsächlich ausgeübten Herrschaft kompatibel sind?)
In der Summe: Ich plädiere dafür, dass es Argumente gibt und die Fähigkeiten zum Argumentieren. Beides steht meiner Überzeugung nach über dem Formaljuristischen. Denn es gilt, wie das Volk es sich so denkt: Wenn jemand die Macht hat, findet sich immer eine Gruppe von Juristen, die, zum eigenen Nutzen und zur Beförderung der eigenen Karriere, formaljuristisch beweisen, dass diese Macht legitim erworben wurde und ausgeübt wird.
Leichte Polemik, Teil 2: Wenn eine Apartheid- oder Sklavenhaltergesellschaft ihre Vorstellung von Herrschaft in eine Verfassung schreibt, kann sie sich dann darauf verlassen, dass ihre Vorstellung von Gesellschaft gegenüber den „Vorstellungen künftiger Generationen“ geschützt ist Und zwar "zu Recht"?