Was ist eigentlich daraus geworden?
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Aufdeckung | Im Sommer 2006 erkundigte sich die US-amerikanische Zeitschrift The New Yorker beim Wikipedia-„Management Team“ nach einem geeigneten Interviewpartner für eine umfangreiche Recherche über Wikipedia. Ihnen wurde der Benutzer „Essjay“ empfohlen. Das Interview erschien im Juli 2006. Als Essjay später, im Januar 2007, auf einer Wikipedia-fremden Seite seine korrekten biografischen Angaben veröffentlichte, führte das zu einer Korrekturnotiz bezüglich des Artikels im New Yorker. Auf diese Weise wurde bekannt, dass er weder die angegebenen Doktortitel erworben hatte, noch die Lehrtätigkeit an einer Universität ausübte. Essjay entpuppte sich als 24-jähriger Student und Rechtsanwaltsgehilfe, der im Wesentlichen sein Fachwissen aus Erstsemester-Einführungen bzw. aus populärwissenschaftlichen Werken zog. Wenig später stieg der Druck auf den Benutzer so sehr an, dass er sich aus der Wikipedia zurückzog und seine Arbeit bei Wikia aufgab. Er behauptete, die Verschleierung seiner Identität zum Schutz vor Stalkern sei der Grund für seine falschen Angaben gewesen. || Folgen | Die Aufdeckung der vorgetäuschten Identität durch den New Yorker und das Bekanntwerden des Realnamens des Benutzers führte im Februar 2007 kurzfristig zu Reaktionen in der internationalen Presse. Sie bezeichnete diese Form der Hochstapelei, die sich aufgrund des Schutzes der Anonymität in der Wikipedia bisher prinzipiell nicht ausschließen lasse, als einen „Skandal“, eine „Krise“ und einen „Schlag gegen die Glaubwürdigkeit“ der Wikipedia. Daraufhin wurden innerhalb des Wikipedia-Projekts Maßnahmen gegen „falsche Professoren“ und „fragwürdige Administratoren“ angekündigt. Jimmy Wales, der Essjay zunächst noch verteidigt hatte, kündigte eine Realnamen-Initiative an.
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Im deutschsprachigen Raum hat von den großen Zeitungen nur der SPIEGEL, wenn ich es recht sehe, über die Sache ausführlicher berichtet.
Wikipedia-Betrüger || Falscher Professor narrt den "New Yorker" || Es gibt neuen Ärger für Wikipedia-Gründer Jimmy Wales. Ein geschätztes Mitglied des inneren Community-Kreises wurde als Betrüger entlarvt: Im Onlinelexikon selbst und auch im Gespräch mit dem US-Magazin "The New Yorker" gab er sich als hochqualifizierter Professor aus - fälschlicherweise. | Wikipedia, schrieb die Pulitzer-Preisträgerin Stacy Schiff vergangenen Sommer in einem langen Essay im "New Yorker", "verkörpert unsere neue, lässige Beziehung zur Wahrheit". Wenn die Lexikongemeinde auf einen Fehler hingewiesen werde, heiße es stets: "Schaut doch mal, wie oft die Mainstream-Medien und traditionelle Enzyklopädien falsch liegen!" Das entspreche in etwa der Kinder-Argumentation: "Aber Johnny ist zuerst von der Brücke gesprungen!", schrieb Schiff. ... Inzwischen ist Wales wohl klar geworden, dass es für Wikia und Wikipedia keine gute PR wäre, es dabei zu belassen. Diskussionsseiten über umstrittene Artikel belegen, dass Jordan seine erfundenen Qualifikationen auch benutzte, um seiner Privatmeinung zu strittigen Themen Gewicht zu verleihen -- genau die Art von dünkelhafter Manipulation, die zu bekämpfen Wikipedia eigentlich angetreten ist. (spiegel.de Di 06.03.2007)
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