So, und jetzt wage ich mal was: Eine Sammlung zum Thema "Gutmensch", die ich vor Tagen kopiert und unter Entwürfe abgespeichert habe. (Aber eben, weil unbearbeitet, manchmal nicht zu diesem Thema). Das, nachdem ich soeben über komplex und überkomplex nachgedacht habe; überkomplex vielleicht = unbearbeitet?
Feuilleton Unwort des Jahres: Warum ich als Reaktionär nicht Gutmensch sage
MEINUNG #UNWORTDESJAHRES 12.01.16 Warum ich als Reaktionär nicht "Gutmensch" sage Unser Autor ist selbsternannter linguistischer "Gutmensch"-Experte. Er erklärt, warum man "Gutmensch" auch dann nicht sagen sollte, wenn man selbst keiner ist. Spoiler: Es hat mit Intelligenz zu tun.
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Von Matthias Heine
Feuilletonredakteur
Matthias Heine
Das Unwort des Jahres
Das Unwort des Jahres
Foto: dpa
Nachdem ich im März 2015 in einem ausführlichen Artikel zur Geschichte des Wortes "Gutmensch" schrieb, dieses Wort würde eigentlich nur noch von Nazis und Idioten ohne jedes sprachliche Feingefühl benutzt, erreichten mich zahlreiche Beschwerden von Leuten, die sich zu Unrecht als Nazis verunglimpft fühlten. Auf die Idee, der zweiten von mir genannten Gruppe anzugehören, also nicht so helle und ein bisschen ausdrucksbehindert zu sein, kam niemand.
Das neue Unwort des Jahres
Jetzt ist "Gutmensch" zum Unwort des Jahres 2015 gekürt worden. Die Begründung der Jury, die sich im vorigen Jahre für "Lügenpresse" entschieden hatte, lautet: "Mit dem Vorwurf 'Gutmensch', 'Gutbürger' oder 'Gutmenschentum' werden Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd, als Helfersyndrom oder moralischer Imperialismus diffamiert."
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Ein Mann, ein Wort
Ein unzensiertes Video über das Wort "Zensur"
Als selbst ernannter linguistischer "Gutmensch"-Experte der Nation möchte ich deshalb ausdrücklich feststellen: Nicht jeder, der den Ausdruck "Gutmensch" gebraucht, ist ein Nazi, Rechter, Rechtspopulist, Identitärer oder besorgter Bürger. Es gibt noch eine zweite Möglichkeit. Und ich glaube, dass die Gruppe der sprachlich minderbemittelten "Gutmensch"-Sager weitaus größer ist als die derjenigen, die in der Wolle braungefärbt sind. Einige meiner besten Freunde sagen "Gutmensch". Sogar der Bundespräsident und die CDU-Jungpolitikerin Diana Kinnert haben kürzlich das Wort benutzt, ohne sich viel dabei zu denken. Sie werden dadurch nicht zu verkappten Rechten. An ihrer Weisheit lässt mich solches Gequatsche dennoch partiell zweifeln.
"Gutmensch" ist kein Unwort, weil es übermäßiges Bemühen um politische Korrektheit und Naivität verunglimpft. Auch nicht, weil an ihm der Pesthauch der ekligen Gesinnung klebt, den allzu häufiger Gebrauch durch echte Nazis dort hinterlassen haben. Sondern vor allem, weil es eine Floskel ist, die von Hirnlähmung und dem Unwillen, genauer zu beschreiben, zeugt. Man spuckt das Wort aus und glaubt damit etwas gesagt zu haben, weil es auch schon Zigtausende andere hingerotzt haben.
Wer "Gutmensch" sagt, nennt Merkel auch "Mutti"
In dem knappen Jahr, das seit meinem ersten Artikel vergangen ist, ist mir aufgefallen, dass Menschen, die "Gutmensch" sagen, meist auch Angela Merkel "Mutti" nennen. Wahrscheinlich fanden viele von denen es früher auch witzig, "Pobereit" statt Wowereit zu sagen. Ich schlage als Arbeitsbegriff für dieses Phänonem "Tichysmus" oder "Morbus Tichy" vor. Es ist eine Krankheit, die durch Facebook-Kontakte übertragen wird.
Ich sage nicht ‚Gutmensch‘. Aber ich finde ja auch Putin grässlich und fürchte mich nicht vor Verschwulung.
Lustigerweise gilt man heute schon als Gutmensch, wenn man sich weigert, "Gutmensch" für ein akzeptables Wort zu halten. So ergeht es mir, obwohl ich keine Flüchtlinge umarme, Frau Merkels Grenzöffnung für genauso hektisch und gefährlich halte wie ihren Atomausstieg, Recht und Ordnung, Disziplin und Höflichkeit für die Grundlagen der Zivilisation halte und schon mal öffentlich zu Protokoll gegeben habe, dass Familie, Gott und Vaterland die Leitsterne meines Lebens sind. Aber ich finde ja auch Putin grässlich und fürchte mich nicht vor Verschwulung.
Kein Grund zum Jammern. Es war noch nie leicht, Reaktionärsein und das Beharren auf Differenzierung und Restintelligenz zu vereinen. Man sollte es trotzdem immer wieder versuchen.
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