Donnerstag, 28. Februar 2019

Ein Romananfang. Wieder mal.

Ein Mann erkennt bei der SPIEGEL-Lektüre im Internet, dass diese Geschichte in Teilen, aber dann im Detail, seiner eigenen gleicht. Und er sieht, dass er großes Glück gehabt hat in seinem Leben.

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Die Jugend von Jean-Claude Romand im französischen Jura verlief wohl recht einsam. Er war, 1954 geboren, das einzige Kind eines großmächtigen Förster-Vaters, den er gleichermaßen bewunderte und fürchtete, und einer zarten, ewig kränkelnden Mutter, der er niemals "Kummer" machen durfte. Das Gefühl, geliebt zu werden, hat ihm offenbar eher der Hund der Familie gegeben. So wurde dessen plötzliches, unerklärtes Verschwinden zum ersten großen Unglück seines Lebens, und er verdächtigte uneingestanden wohl seinen Vater, das Tier erschossen zu haben - bei der Erinnerung an den Hund brach Romand im Gerichtssaal von Bourg-en-Bresse in einem Weinkrampf zusammen.

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Man kann nicht sagen, Jean-Claude Romand habe ein Doppelleben geführt. Er hatte kein anderes als das falsche.

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Romand, den seine Freunde als "Skeptiker und Agnostiker" kannten, hat sich aus der Leere seiner Verzweiflung herausgerettet, indem er sich Gott an den Hals warf. Schon während der Untersuchungshaft, nachdem er sich unter Tränen und Gebeten 25 Kilo abgefastet hatte, sei ihm, so berichtete er später, in einer Art Vision der Erlöser erschienen, und durch dieses "mystische Ereignis" habe er mit einem Mal begriffen, warum er von Gott "aufgespart" wurde, als er auf Selbstmord sann. Stürzt Gott nicht manchen besonders tief ins Elend, weil er Besonderes mit ihm vorhat? Haben nicht gerade große Sünder das Zeug dazu, große Heilige zu werden?

Als musterhaft reuiger und demütiger Büßer hat Romand - im Gefängnis wie außerhalb - fromme Anhängerschaft gefunden. Carrère allerdings, der ein höchst erbauliches Traktat aus dessen Feder zitiert, sieht - Gott helfe ihm - in dieser neuen Rolle erst recht etwas Diabolisches, denn wieder gilt damit für Romand und seine Größenphantasie: In dem Maß, wie man ihm glaubt und an ihn glaubt, glaubt er an sich selbst.

Ein Psychiater, der von Berufs wegen mit Romand befasst war, bringt dessen neue Selbstdarstellung auf eine saloppere Formel: Wenn er nicht im Knast säße, würde er längst in Talkshows auftreten.

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Von Urs Jenny

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