Was mir so durch den Kopf geht, bevor ich diesen Brief schreibe:
Man muss das wohl so sehen: Manche Menschen werden in eine gleichsam göttliche Gnade und Begnadigung hineingeboren. Agnostiker und Atheisten werden das so ausdrücken: "Die haben immer Schwein! Keine Ahnung warum."
Wer bekommt schon, wenn er betrunken am Steuer eines Autos erwischt wird, Jahrs darauf eine Gastprofessur? Eben! Nur Gnaden- bzw. Glückskinder! Und hält dann eine in den Medien getreulich wiedergegebene Vorlesung in Bochum. Natürlich eine Vorlesung mit einer politisch sehr korrekten, nächstenliebenden Zentralthese.
Ex-Bischöfin Käßmann; Migration gab es bereits in der Bibel
...
In ihrer Antrittsvorlesung als Gastprofessorin in Bochum hat sich die frühere Bischöfin Margot Käßmann mit Migration und Mission auseinandergesetzt. Hier veröffentlichen wir einen Auszug.
Migration ist ein urbiblisches Motiv! Die Ersten, die sich aufmachen, sind in der biblischen Geschichte Adam und Eva. Sie müssen das Paradies verlassen und eine neue Heimat finden. Und dieses Motiv bleibt konstant: Abraham und Sarah brechen auf in ein unbekanntes Land – aus freien Stücken. Joseph findet sich gezwungenermaßen in der Fremde wieder und muss sich integrieren.
Mose führt in der biblischen Erzählung das ganze Volk Israel aus Ägyptenland in die Wüste und schließlich bis zur Grenze des gelobten und verheißenen Landes. Dort werden die Israeliten kämpfen müssen, um ihre Kultur zu behaupten gegen die vorhandene Kultur des Landes Kanaan.
Was ein wenig ärerglich ist: Wenn das Glückskind in die nächstbeste Theologen-Trickiste greift, von der man gedacht hat, dass sie spätestens seit Otto Walkes' Predigt-Parodie* nicht mehr möglich ist. Der Trick: durch Uminterpretieren und sinnwidriges Gleichsetzen eine ziemlich billige Gut-Menschentum-Rede unter die Leute zu bringen, eine Rede, bei der dann die massenweise herbeigeströmten Zuhörer ergriffen die Augen verdrehen können. Aber ein Wort bedeutet immer das, was es zu einer bestimmten Zeit unter konkreten Umständen bedeutet. Dass die Leute zu jeder Zeit wegen schrecklicher Armut und anderer Missstände versucht haben, ihre Lage zu verbessern und eine der Möglichkeiten war, woanders hinzugehen, wo es, angeblich oder tatsächlich, besser war, das ist das eine; dass jede konkrete historische Situation an jeden konkreten Ort ihre eigenen, schlecht zu vergleichenden Probleme hat und also das Völkerwandern in der Bibel schlecht mit unseren Migrationsproblemen heute verglichen werden können, das ist das andere, das Zentrale. Nun denn ...
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Liebe Frau Käßmann!
Warum zur Abwechslung nicht mal rational sein. Nein, Rationalität und klares Nachdenken, sind nicht per se Zeichen von Hartherzigkeit.
Das mit dem Nachdenken in Sachen Migration ist nicht allzu schwierig und geht so:
1. Dass wir gegenwärtig eine große und weltweite Negativ-Migration** haben, das ist schlimm und wir haben
2. wenn wir offen und ehrlich sind, nicht die geringste Ahnung, was wir da langfristig tun können. Denn die Ausgangslage ist so:
3. In manchen Weltgegenden gibt es eine große Armut und eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Verfolgung, Folter. All das. Nur eben: Wenn alle die, die allein in Afrika in größter Not leben und keine Hoffnung haben, nach Europa kommen,
4. kollabieren hier die Sozialsysteme und es kommt langfristig zum Bürgerkrieg oder zum Rechtstotalitarismus, weil vor allem die Einheimischen, die selbst nicht viel haben, nicht für die Einwanderer bezahlen können und wollen. (Und wenn Sie die "Wohlhabenden" zur Kasse bitten wollen, dann müssen Sie sagen, mit welchen Anteilen und Beträgen und wie Sie das "politisch durchsetzen wollen", wie man so sagt. Und Sie müssen konkrete Zahlen zur Diskussion stellen: Wie viele unausgebildete Einwanderer soll die EU mit welcher Verteilung auf die Mitgliedsländer gegenwärtig aufnehmen, mit welchen finanziellen Folgen für welche Mitgliedsländer? Das und so zu fragen ist schon wieder Hartherzigkeit? Nun ja, irgendjemand wird das fragen und regeln müssen. Man kann sich natürlich die wirklichen Probleme vom Hals halten und schöne Vorlesungen halten; aber ist das eines vernünftigen, nachdenkenden Menschen würdig?)
5. Dass die meisten Einwanderer in die EU eben nicht die Facharbeiter sind, die gesucht werden, ist eines von vielen Problemen, die wir -- diese Probleme -- erst einmal sachlich aufzählen sollten, ohne gleich zwischen guten und bösen Hiesigen zu trennen. Denn die guten Hiesigen sind doch zu großen Anteilen solche, die in ihrer eigenen heilen Welt leben und mal ins Blaue hinein fordern, "der Staat" oder doch jedenfalls die anderen sollten bitteschön mehr Nächstenliebe zeigen.
6. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! Also, liebe Frau Käßmann, es wäre doch besser, wenn Sie eine Famile aus Afrika ins eigene Haus zu holten, um mal zu schauen, ob und in welchen Grenzen Sie mit der entstehenden Situation zurechtkommen, statt über die Probleme im Allgemeinen und Wohlfeilen eine Vorlesung zu halten.
7. Und wenn Sie doch etwas quasi Politisches tun wollen, dann organisieren Sie einen runden Tisch, an dem es nur eine Ausgangsforderung gibt: Jeder der da sitzt, bemüht sich, ehrlich und realistisch zu sein und die Grenzen zwischen hartherzigen Verwaltern der Abschiebung und Verwaltern des individuellen gutmenschlichen Wohlgefühls aufzubrechen.
Es grüßt Sie herzlich!
Bernardo de la Barquera
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* "Theo -- wir fahr'n nach Lodge!" -- "Wer sind die vier, die da nach Logde fahren? Und wer ist dieses Theo, der in so schönen Worten vorkommt wie: Theo-logie, Theo-dorant, Theo-der-Kaffee?
** Die Positiv-Migration ist die der ausgebildeten Greencard-Reisenden, die, um ihre berufliche Situation zu verbessern, ihm Rahmen eines Einladungsverfahrens in andere Länder gehen.
*** Dass ich nicht den ersten Offenen Brief an die Frau K. schreibe, habe ich mir schon gedacht. Dass es aber gleich so viele Briefe sind, die man im Internet findet, das hätte ich dann doch nicht gedacht.
*** Dass ich nicht den ersten Offenen Brief an die Frau K. schreibe, habe ich mir schon gedacht. Dass es aber gleich so viele Briefe sind, die man im Internet findet, das hätte ich dann doch nicht gedacht.