Gestern ist ein Flugzeug in den französischen Alpen abgestürzt. Im Wikipedia Café, wo über alles und jeden geredet wird, meldet sich der User Informationswiedergutmachung zu Wort, um 18:12 [jetzt: Archiv]. Seine Überschrift: "Gaffertourismus der Poltitiker". Der Text:
"Als wenn es nicht schon schlimm genug wäre, dass ein Flugzeug abstürzt, nein, es müssen da auch noch die Damen und Herren Politiker einen Abstecher hin machen. Was wollen die da? Peinlicher Politikertourismus für nix und wieder nix, außer für die Show."
Um 18:14 fügt derselbe User hinzu:
"Und sowas ist die Spitze der Widerlichkeit: +++ Liveticker +++ zum Absturz: wir zeigen ihnen die Toten, exklusiv bei BILD? Neeee, in der ARD. Pfui deibel."
"Und sowas ist die Spitze der Widerlichkeit: +++ Liveticker +++ zum Absturz: wir zeigen ihnen die Toten, exklusiv bei BILD? Neeee, in der ARD. Pfui deibel."
Und jemand mit einer IP ausgewiesen fügt schreibt mit Uhrzeit 18:47:
"Stimmt, das ist pervers. Im Straßenverkehr sterben in Deutschland jede Woche 70 Menschen. Kein Politiker fährt hin und kein Liveticker tickt. Bringt halt wenig Leser/Zuschauer und wenig PR. Warum ist der Hype bei Flugzeugabstürzen eigentlich so groß? Weil viele an einem Ort sterben? Oder weil gleichzeitig noch ein großes Flugzeug zerstört wird?"
Und jemand mit Pseudonym Janka, Mann oder Frau, erklärt die Sache um 19:02 so:
"Weil's so selten ist. Die Medien sind angespannt, warten alle, wann sie endlich von "Terroristen" sprechen dürfen. Oder den Putin verantwortlich machen. Oder sonstwelchen Käse."
Dann ist, jedenfalls vorläufig, vielleicht auch weiterhin, Schluss.
Was lässt sich noch dazu sagen? Es gibt menschliche Instinkte. Manche sind gut, wie Mitgefühl und Mittrauern mit anderen. Andere sind weniger gut, vielleicht ambivalent. Wer nicht wissen will, was für ein Unglück einem anderen zugestoßen ist, ist erst einmal herzlos. Eine solche Desinteressiertheit ist keine Tugend und sie kommt auch selten vor. Wenn er oder sie zuviel wissen will, kann das Sensationsgier sein. Wenn Aktion hinzukommt Katastrophentourismus im Zweifelsfall. Ein sehr schwerer Unfall an der Autobahn? Leute fahren hin und schauen sich die Sache mit wohligem Gruseln an. Nicht so gut.
Dann gibt es die weitere Untugend, des Sich-über-andere-Erhebens. Reflexartig. Gaffertourismus der Politiker. Ja, die Politiker sind eine sehr beliebte Zielscheibe. Oder die ARD, weil offiziell und mit der Frage zu versehen: "Was selbst du, ARD?" Und natürlich der gemeine Mensch, BILD-Leser im Zweifelsfall, der überall nur Terrorsmus wittert.
Es ist ein wenig wie jüngst zu den Kabarettisten angemerkt: Auf die anderen herabschauen, alles besser wissen, andere runtermachen, sich für einen besseren Menschen halten und das auch zum Ausdruck bringen. Das alles ist auch nicht gerade fein. Ich jedenfalls glaube, dass von gewählten Politikern angesichts eines großen Unglücks Äußerungen verlangt werden. Ich erwarte das von der Bundeskanzlerin, dem Bundespräsidenten, dem Außenminister und auch vom Bürgermeister von Haltern. Auch dass sie, die Politiker in hoher Position, im Zweifelsfall ihre Termine absagen und zu einer Unglücksstelle hinfahren. Politiker-Bashing ist ein zu wohlfeiler Sport geworden, nicht nur bei den Kabarettisten. Und das mit der ARD? Das konnte ich nirgendwo lesen und nirgendwo finden. War es Auslegungssache? Ich hätte das gerne überprüft. Weil ich's nicht glauben kann. Sclicht schon allein deshalb, weil zu diesem Zeitpunkt niemand so etwas sagen bzw. zeigen konnte. Und dumm -- so dumm sind sie nicht, die bei der ARD.