Für Menschen, die der Auffassung sind, dass wahr und falsch irgendwie empirisch, durch Versuchsanordnungen und wiederholbare Experimente gefunden werden, ist die herrschende Meinung der Juristen immer schon eine ungeheuer schräge Sache. Auf der anderen Seite: So ist das nun mal in Diskurswissenchaften, die keine Naturwissenschaften sind: Es wird gequasselt und noch mal gequasselt, und am Ende schaut man, auf welche Seite sich die Quasselwaage neigt. Voilà, die herrschende Meinung!
Und dann auf einmal doch ein kritischer Hinweis auf dem Kreis der Fachleute heraus:
"Fatales zum Thema: herrschende Meinung. Besteht jedoch kein allgemeiner dogmatischer Konsens, so kann aus wissenschaftlicher Sicht die bloße Autorität einer „herrschenden Meinung“ eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Sachargumenten von jener und anderen Meinungen nicht ersetzen. In einem solchen Vorgehen wird ein „Zeichen eines gewissen Niederganges der Rechtskultur“ gesehen, da dadurch die „Fähigkeit, überhaupt eigene Gedanken zu entwickeln“, erlahme und in letzter Konsequenz eine „Erstarrung des Rechts“ drohe. Roman Schnur, Der Begriff der „herrschenden Meinung“, in: Karl Doehring (Hrsg.), Festgabe für Ernst Forsthoff, München 1967, 46."