Wieder mal aus dem Wikipedia-Café herübergenommmen.
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Für mich ist es immer mal wieder interessant, den Zustand der eigenen Fassungslosigkeit zu analysieren. In der ZEIT von heute ein Artikel, der wie eine spannende Geschichte beginnt:
"Am 22. Juni 2011 geht im Bonner Bundeszentralamt für Steuern ein Sammelantrag ein. Er bekommt die Nummern 1100000001 bis 1100000025 zugeteilt. Dann landet er auf dem Schreibtisch von Anna Schablonski, im Erdgeschoss eines grauen, fünfstöckigen Zweckbaus mit Regalen voller Leitz-Ordner, auf deren Rücken der Bundesadler prangt. | Schablonski ist damals 30 Jahre alt, groß und schlank, hat braune Augen und einen kinnlangen Bob-Haarschnitt. Gerade einmal ein halbes Jahr macht sie ihren Job. Von komplizierten Börsengeschäften hat sie keine Ahnung. Aber wenn Schablonski etwas seltsam vorkommt, so wie dieser Antrag, dann geht sie der Sache auf den Grund. | Zunächst sind da die ungewöhnlich hohen Summen. In nur zwei Monaten hat der Antragsteller, ein Pensionsfonds aus den USA, für 6,4 Milliarden Euro deutsche Aktien gekauft, nur um sie kurz darauf wieder zu verkaufen. Nun verlangt er exakt 53.882.080 Euro und 94 Cent an Steuern vom deutschen Staat zurück, also fast 54 Millionen Euro. Seltsamerweise, das macht Schablonski besonders stutzig, hat der Fonds nur einen einzigen Begünstigten. Wozu, fragt sie sich, spekuliert ein Ein-Mann-Pensionsfonds mit so vielen Milliarden?"
Gleich dazu: "Die ARD zeigt den Film "Milliarden aus der Staatskasse – auf der Spur der Steuerräuber" in der Panorama-Sendung am Donnerstagabend (8. Juni) um 22 Uhr. Danach ist der Film auf www.panorama.de abrufbar."
Fassunglos A: Wie kann ein Heer von hochmögenden Experten in Minsterien, Finanzämtern und -- ja auch: Zeitungen dieses Spiel so lange nicht durchschauen? Fassungslos B: Wie können Menschen, die ihrerseits Experten sind und also wissen, dass sie da in großem Stil betrügen, die Überzeugung pflegen, nur besonders schlau zu sein?
"Anruf bei dem Mann, von dem Schablonski damals noch nicht ahnt, dass er ihr wahrer Gegenspieler ist, der Spiritus Rector hinter den Cum-Ex-Geschäften: Hanno Berger. Der Anwalt hat sich nach einer Durchsuchung seiner Frankfurter Kanzlei Ende 2012 in die Schweiz abgesetzt. Dort lebt er heute in einem mondänen Bergdorf und zunehmend wohl auch in seiner eigenen Welt. [...] | In von der Staatsanwaltschaft abgehörten Telefonaten behauptet er sogar, es werde ein "Vernichtungsfeldzug" gegen ihn geführt. Den deutschen Staat bezeichnet er da wahlweise als "totalitär" oder "links-faschistoid". Die Durchsuchungsbeschlüsse gegen ihn und seine Komplizen seien von "Schweinerichtern" unterzeichnet worden."
Fassungslos C: Ein Staat, der so aufgebaut ist, dass nach 45 pausenlosen Arbeitsjahren des Durchschnittsarbeiters 1.350 € Rente ausgezahlt werden (steht irgendwo an anderer Stelle in der Zeitung), während bauernschlaue Rechtsanwälte und Bänker im Geld waten -- ist das ein Rechtsstaat?
Sorry, ein wenig lang geworden. Liegt an der Fassungslosigkeit. -- Also werde ich heute abend die Sendung anschauen und versuchen, Schritt für Schritt meine Fassungslosigkeit abzubauen. Wie geht es euch da? -- 12:27, 8. Jun. 2017
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Zwei Antworten sind auch schon da:
Es liegt in unserer Natur: Wir sind aggressiv (herangehend) und gierig. (Der Staat versucht ja, das einzudämmen...) | In Dänemark ist letztes Jahr ein ähnlicher Fall aufgedeckt worden. Im Vergleich mit der Bevölkerungszahl und dem BSP etwa 3 bis 5 Mal bedeutender als in D. !!Hurra für die mutige, skeptische Anna!! Man sollte diesen Bearbeitern soviele automatisierte Alarmsysteme zur Seite stellen wie möglich. GEEZER … nil nisi bene 12:50, 8. Jun. 2017
„Linksfaschistoide Schweinerichter“, ist das n geläufiges Deutschland-Bild in der Schweiz oder ist der Mann nur leicht reizbar? --Bluemel1 12:58, 8. Jun. 2017
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Das mit Dänemark wusste ich nicht; es ist aber leicht zu finden.
Durch einen grossangelegten Steuerbetrug sind dem dänischen Staat vermutlich mehr als 800 Millionen Euro durch die Lappen gegangen. Die Finanzverwaltung des Landes erklärte am Mittwoch, nach einer internen Untersuchung sei der Fall an die Polizei übergeben worden. (nzz.ch)