Lesenswerter Artikel von Thomas Fischer, dem pensionierten BGH-Richter, jetzt im SPIEGEL, nicht mehr in der ZEIT:
"Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen hat das Strafverfahren gegen Herrn Dr. Alexander Gauland aus Potsdam wegen Volksverhetzung am 14.5.2018 eingestellt, weil Anlass zur Erhebung einer öffentlichen Anklage nicht bestehe (§ 170 Abs. 2 StPO). Das ist für den Beschuldigten ein schönes Ergebnis, für die Anzeigeerstatter - zu denen ich selbst gehöre - nicht. Das ist an sich nicht dramatisch, und mit Enttäuschungen aus dem Munde der Justiz muss der Bürger leben wie mit Freuden. Die Sache ist hier aber einer etwas näheren Würdigung wert, weil die Begründung der Einstellungsverfügung auf ein allgemeines Problem bei der Anwendung strafrechtlicher Vorschriften auf politisch motivierte öffentliche Äußerungen verweist."
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"Umgang mit Hetze
Der argumentative Trick, mit welchem die Staatsanwaltschaft Mühlhausen die Einstellung begründet, besteht somit darin, die rassistische, allein auf die Person als Repräsentantin einer ethnisch definierten Gruppe gerichtete Aufforderung zu Willkürmaßnahmen umzudeuten in einen "allgemeinen" Diskussionsbeitrag zu einem interessanten ("diskursfähigen") politischen Thema. Das verfehlt den Kern der Sache und nimmt das Ergebnis vorweg, bevor eine ernsthafte Prüfung überhaupt stattfindet.
Es ist dies nicht einmalig und auch kein Spezifikum des konkreten Falls. Die Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, aber auch der ordentlichen Gerichte, zu Äußerungsdelikten ist unüberschaubar. Sie befasst sich in den allermeisten Fällen allerdings nicht mit Volksverhetzung, sondern mit Verfahren wegen Beleidigungsdelikten (§§ 185 ff. StGB), die ihrer Natur nach gegen Personen gerichtet und nur zu einem kleinen Teil "politisch" motiviert sind. Der Tatbestand der Volksverhetzung wird dagegen fast nie ohne Bezug zu politischen Themen verwirklicht. Daher kann die Rechtsprechung zur Beleidigung und zum "Gegenschlag" nicht unbesehen auf § 130 StGB übertragen werden, denn wenn jede politisch konnotierte volksverhetzende Äußerung ohne weitere Prüfung mit dem strafbefreienden Segen des "politischen Diskurses" versehen würde, hätte der Tatbestand praktisch keinen Anwendungsbereich mehr."
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"Umgang mit Hetze
Der argumentative Trick, mit welchem die Staatsanwaltschaft Mühlhausen die Einstellung begründet, besteht somit darin, die rassistische, allein auf die Person als Repräsentantin einer ethnisch definierten Gruppe gerichtete Aufforderung zu Willkürmaßnahmen umzudeuten in einen "allgemeinen" Diskussionsbeitrag zu einem interessanten ("diskursfähigen") politischen Thema. Das verfehlt den Kern der Sache und nimmt das Ergebnis vorweg, bevor eine ernsthafte Prüfung überhaupt stattfindet.
Es ist dies nicht einmalig und auch kein Spezifikum des konkreten Falls. Die Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, aber auch der ordentlichen Gerichte, zu Äußerungsdelikten ist unüberschaubar. Sie befasst sich in den allermeisten Fällen allerdings nicht mit Volksverhetzung, sondern mit Verfahren wegen Beleidigungsdelikten (§§ 185 ff. StGB), die ihrer Natur nach gegen Personen gerichtet und nur zu einem kleinen Teil "politisch" motiviert sind. Der Tatbestand der Volksverhetzung wird dagegen fast nie ohne Bezug zu politischen Themen verwirklicht. Daher kann die Rechtsprechung zur Beleidigung und zum "Gegenschlag" nicht unbesehen auf § 130 StGB übertragen werden, denn wenn jede politisch konnotierte volksverhetzende Äußerung ohne weitere Prüfung mit dem strafbefreienden Segen des "politischen Diskurses" versehen würde, hätte der Tatbestand praktisch keinen Anwendungsbereich mehr."
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