Habermas hat ein paar Grundgedanken der philosophisch-linguistischen Pragmatik recht früh aufgegriffen; bei ihm kommen dann tatsächlich Sprechakte vor, er bezieht sich auf Austin und auf Searle. An diesem Punkt aber gehen die Denkweisen in der Linguistik und in der Sprachphilosophie Habermas schon sehr früh auseinander: Habermas entwickelt einen, sagen wir: idealistischen Standpunkt, der von der Macht des freien Argumentes ausgeht. Berühmt geworden die These dass es so etwas wie einen "eigentümlich zwanglosen Zwang des besseren Argumentes" gebe. Irgendwie siedelt das Ganze immer in der Nähe des Glaubens an das Gute im Menschen und an die Fähigkeiten des menschlichen Intellekts.
Dass es zu keiner wirklich engen Verbindung zwischen linguistischer Sprechakttheorie und Habermasscher Diskursethik gekommen ist, liegt wohl daran, dass die Linguisten sich, jedenfalls in der Mehrzahl, seit jeher als radikale Realisten sehen. Sie schauen darauf, wie das wirkliche Sprechen und Argumentieren so verläuft, und da kommen sie zu dem Ergebnis, dass, zwangloser Zwang hin oder her, die Leute sehr schnell verbal aufeinander losgehen und verbal aufeinander einschlagen.
Ich gehöre, was die grundsätzlichen Möglichkeiten und Grenzen des Argumentierens angeht, zu den linguistischen Realisten. Wie diese Grenzen freilich gezogen werden und was die Möglichkeit angeht, peu à peu diese Grenzen in Richtung eines besseren Argumentierens nach bestimmten Regeln angeht, da bin ich, natürlich eingeschränkt und gebremst, durchaus Optimist. Wissend, dass Nachdenken und Differenzieren nicht jedermanns Sache ist und dass ausgerechnet die, die laut zum Differenzieren aufrufen, dazu manchmal nicht in der Lage sind.*
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* Mir ist natürlich jederzeit klar, dass solche Aussagen radikal standpunktbezogen sind; was aber nur heißt, dass ich mir bei passender Gelegenheit ein paar Gedanken über diese Standpunktbezogenheit und überhaupt über den Begriff der Subjektivität und der Objektivität machen muss. -- Eine weitere sehr schwierige Frage: Welche sprachlichen Fähigkeiten denn notwendig sind, um wirklich komplexe Argumentationen nachvollziehen zu können. Vor kurzem habe ich die schöne Anmerkung gelesen, der zufolge Legastheniker nicht doof seien. Dem ist natürlich vollständig zuzustimmen. Allerdings sind auch Dyskalkulisten nicht doof. Sie können teilweise hervorragende Texte schreiben; nur rechnen können sie halt nicht. Man würde Dyskalkulisten aber eher nicht als Versicherungsmathematiker und Ingenieure einstellen. Umgekehrt wird es kaum Legastheniker unter Journalisten geben. Wobei eben die Legasthenie eine extrem einfache Schwäche ist -- einfach zu erfassen meine ich. Beim Konstatieren einer 'Argumentationsschwäche' liegt die Sache ganz und gar anders. Auch dazu später noch. Wobei ich aber schon hier davon ausgehe, dass Deutschlehrer mit dem Begriff 'Argumentationsschwäche' relativ wenig Schwierigkeiten haben.
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