Freitag, 21. Dezember 2018

Geheimnisse wahren?

In der Süddeutschen, Feuilleton, steht am Donnerstag, 20. Dezember 2018 ein Essay, ein Gastbeitrag von Nathalie Weidenfeld*. Titel: Das große Beichten. Mit einer langen Hinführung im Lead: Selbstdarstellung und Selbstentblößung. Wie die digitalen Medien die Werte der Puritaner in die Welt bringen. Was ist aus der Kultur der Privatheit geworden? (Auch online.)

Ein schöner Absatz, den man aus dem Zusammenhang reißen darf, ohne dass er Schaden nimmt:

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Wer erwachsen werden will, so sagen Psychologen, muss lernen, Geheimnisse zu wahren und zu haben. Wer Geheimnisse bewahren und Ambiguitäten aushalten kann, bewahrt sich das Recht auf Individualität und die Möglichkeit, aus sich selbst heraus Kraft zu schöpfen. Diese private Zone schafft einen geschützten Raum, in dem sich die Persönlichkeit entfalten kann.

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Schön gesagt ist das. Aber ist es deshalb auch ... Was für ein Wort jetzt? Auswahl: wahr, richtig, zutreffend, praktikabel korrekt, usw. Wahrscheinlich gilt doch: Man muss jetzt auf die näheren Umstände schauen. Ein echtes Doppelleben wie das von Schneider / Schwerte? Ein wahrscheinlich doch: Irrsinnsdoppelleben wie das von Graf Tono G. (54) und seinem Dreifachmord?** Was waren die unterdrückten Geheimnisse des Grafen? Hätte er sie nicht vielleicht doch besser aufgedeckt, um nicht in dieser Weise unter Druck zu geraten? Oder Jean Valjean aus den Misérables? Die Frage ist also immer: Um was für ein Geheimnis, um welche Geheimnisse handelt es sich denn konkret?

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* Man muss zwei Kurz-Lebensläufe zusammentun, um Nathalie W. gerecht zu werden.

Nathalie Weidenfeld wurde 1970 in Frankreich geboren und wuchs zweisprachig in Deutschland auf. Sie arbeitete zunächst bei Film und Fernsehen und schloss dann ein Studium der amerikanischen Literaturwissenschaft ab. 2005 promovierte sie in Kulturwissenschaften. Heute lebt sie mit ihrer Familie in München und lehrt an der LMU. (randomhouse.de)

Nathalie Weidenfeld wurde 1970 in Frankreich geboren und wuchs zweisprachig in Deutschland auf. Sie besuchte die Schauspielschule von Lee Strasberg in New York und arbeitete in Paris, Mailand, Sydney und New York als Model. 1993 kehrte sie nach Deutschland zurück und arbeitete bei Film und Fernsehen. 2000 schloss sie ein Studium der Literaturwissenschaft und Amerikanistik ab. Heute lebt Nathalie Weidenfeld als freie Autorin und Lektorin in München. (perlentauchter.de)

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** Graf Tono G. (54) soll am Donnerstag auf Schloss Bockfließ (NÖ) ausgerastet sein und seinen Vater, Graf Hans Ulrich G. (92), dessen Ehefrau, Margherita C.-F.-G. (87), und seinen 52-jährigen Bruder Ernst G. mit einem Schrotgewehr getötet haben. Es gilt die Unschuldsvermutung. - Ja, die Unschuldsvermutung! (heute.at)

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