Notizbuch
s. Boris Palmers Anmerkungen zu Berlin
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https://www.nzz.ch/feuilleton/berlin-ist-halt-doch-ein-bisschen-wie-afrika-ld.1439780
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Der authentischste Ort der Welt?
An Tagen, an denen ich Berlin wieder einmal genauer anschaue, fast so wie in meiner Anfangszeit, stimmt mich die Stadt eher melancholisch. Unter den Brücken liegen osteuropäische Obdachlose mit roten Köpfen, die kalte Ravioli aus Büchsen essen, dazu Wodka trinken und an der nächsten Ecke urinieren. Gepflegte Rentner leuchten mit kleinen Taschenlampen in Abfallkübel und fischen vorsichtig Dinge heraus. Andere gucken gar nicht erst hinein, sondern erwühlen sich Verwertbares mit der baren Hand. Es gibt Abstufungen von Verwahrlosung, die man in Berlin daran erkennen kann, wie Menschen den Müll durchsuchen.
Eine Chirurgin, um die vierzig, aus Tübingen, meinte letzthin bei einem Abendessen, dass Berlin sie zwar in vielerlei Hinsicht anekle, aber dass sie sich nicht mehr vorstellen könne, irgendwo anders zu leben. Alle anderen und vor allem alle schöneren Orte kämen ihr künstlich vor. Berlin wäre demnach der authentischste Ort auf der Welt. Ich fand die Idee interessant, auch wenn sie mich nicht überzeugt.
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