Montag, 15. Januar 2018

Stavros Louca noch einmal

Ich komme noch einmal auf Stavros Louca, den Mathe-Super-Lehrer zurück. Geboren in Zypern, als Lehrer ungewöhnlich erfolgreich in Schweden. Ein längeres Zitat aus einem Geo-Buch, Schule: Was ist ein guter Lehrer? (eBook, nur 99 Cent!)

"" ... Auf den Lehrer kommt es an“, heißt die neue Devise, denn, wie die Unternehmensberatung McKinsey nach einer internationalen Erhebung schrieb: „Ein Schulsystem kann nicht besser sein als seine Lehrer.“ In Schweden gilt das seit der Femsehserie als Gemeinplatz. Die Sendung, ein großer Quotenerfolg, hat die dortige Bildungsdebatte grundlegend verändert. „Wir haben nun keine Entschuldigung mehr“, sagt eine Schuldirektorin. Lehrer könnten sich nicht mehr darauf hinausreden, dass schlechte Schüler halt aus bildungsfernen Elternhäusern kämen oder unterbegabt seien. „Das Experiment hat gezeigt: Wir Lehrer können den familiären Hintergrund jedes Kindes ausgleichen. Wir müssen nur gut genug sein.“ Und Stavros Louca erzeugt pädagogische Wunder im Jahrestakt. Seine Heimatschule, ein schmuckloses Geviert aus Holz und Stahlblech, liegt in Stockholms größtem „Problemgebiet“, in Rinkeby. Rund 90 Prozent der 15000 Einwohner waren nicht in Schweden geboren oder sind Kinder im Ausland geborener Eltern. An der Bushaltestelle, nicht weit vom „Afro Frisör“, warten verschleierte Somalierinnen, das einzige Reisebüro hat sich auf Eilige in den Irak spezialisiert. Die Schüler der Rinkebyskolan stammen sogar zu 99 Prozent nicht aus Schweden, und über das fehlende Prozent ist sich der Direktor nicht sicher — könnte sein, dass das letzte einheimische Kind gerade die Schule verlassen hat. Es kann ihm gleichgültig sein. Denn die Schule entlässt seit Jahren die besten Schwedisch-Schüler des Landes. Viermal in Folge waren auch Loucas multikulturelle Mathematik-Schüler mit Abstand die besten Schwedens. Die Schwedische Akademie der Wissenschaften hat Louca ausgezeichnet. Aber macht seine Leistung den 57-Jährigen zum Vorbild? Oder eher zum Vorwurf an eine Lehrerschaft, die mehrheitlich pädagogische Kunststücke weder versucht noch für möglich hält? Doch selbst wenn sie mit aller Kraft danach streben würden: Könnten wirklich alle Lehrer lernen, auf dem Niveau von Stavros Louca zu unterrichten? Ließen sich Wunder wie in Rinkeby in Serie produzieren, wenn nur die Lehrerausbildung besser wäre? Oder sind Schwedens Superlehrer schlicht Naturtalente - einmalig und nicht kopierbar?"

Ich habe mich ein wenig in Diskussionen umgetan, habe herumgelesen. Diese Meinung kommt besonders oft vor will mir scheinen:
  • Prima! Schön für den Stavros! Aber er hat halt ein glückliches pädagogisches Naturell. Dazu sicherlich eine gehörige Portion Fachwissen. Nur -- ein gutes Naturell kann nicht jeder haben. Auch nicht jeder Lehrer. 
  • Selbst wenn wir durch Tests voraussagen könnten, ob jemand ein guter Lehrer wird: Wir hätten einfach nicht genügend gute Anwärter, um genügend Lehrer für die Schulen zu bekommen.
Mir will scheinen, als sei das zu kurz gesprungen. Die folgenden Punkte muss man angehen:
  • Man müsste erst einmal herausfinden, was sich von Stavros, unabhängig vom "Naturell", abschauen, formulieren & erkennen, dann lehren lässt. 
  • Es gibt außerdem die Verhaltenspsychologie-These, dass nicht nur der Charakter, die Psyche das äußere Agieren bestimmt, sondern dass auch ein verändertes Agieren nach einiger Zeit die Psyche formt und verändert.
  • Vielleicht ließe sich da ja ein Test ableiten, welche Eigenschaften Lehramtsstudenten haben sollten, damit sie gute Lehrer werden, die Kinder und Jugendliche zum Erfolg führen und anschließend selbst, weil erfolgreich, glücklich leben. 
  • Andere Studenten könnte man dem entsprechend von einem nicht so glücklichen Leben bewahren, wenn man relativ sicher sagen kann: "Als Englischlehrer am Gymnasium wirst du wahrscheinlich nicht glücklich werden! Aber in der Erwachsenenbildung wirst du wahrscheinleich zufrieden sein."
Dann könnte man weiterforschen, im Sinne der diskussionswürdigen Thesen der 2013 verstorbenen Harvard-Forscherin Nalini Ambady, die gezeigt hat, dass ein extrem schnelles Urteilen über Lehrer offenbar in den Genen der students verankert ist. (Nein, ich glaube nicht, dass es einen großen Unterschied zwischen College-Studenten und Schülern in der 9. Klasse Highschool / Gymnasien gibt.) Warum um Himmels willen werden diese Studien nicht in Deutschland reproduziert und also bestätigt oder widerlegt? Da geht es doch um absolute und absolut wichtige Grundlagenfragen!

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Nachtrag (08.11.2018):

"Stavros Louca, der Mathelehrer unter den acht Superpädagogen, beschreibt sein Geheimnis so: "Die Schüler müssen mich mögen. Dann mögen sie auch das Fach, das ich mag. Und sie wollen mich nicht traurig machen." Louca war der Star der Sendung, denn unter seiner Führung rückte die 9A sogar im Sorgenfach Mathe von einer weit abgeschlagenen Position an die nationale Spitze. Dass dieser Erfolg fast ausschließlich mit Loucas didaktischem Talent zusammenhängt, ist aber auch einer der Hauptkritikpunkte an der Sendung: Die guten Ergebnisse, meinen skeptische Beobachter, lassen sich nicht wiederholen. Es gebe eben nicht genug herausragende Lehrer für alle Klassen. An der Johannesskolan glaubt man dagegen, dass das Experiment nachhaltig wirkt. Die Schülerin Hanin Assi zeigte sich am Ende sogar beeindruckt von ihren alten Lehrern. Deren Mittelmäßigkeit wurde durch den Vergleich mit den Spitzenpädagogen einem Millionenpublikum vorgeführt. "Aber viele unserer alten Lehrer waren willens, Kritik anzunehmen und sich zu ändern", sagt die Schülerin über die Zeit nach dem Fernseh-Gastspiel. Das sei doch sehr mutig." (sueddeutsche.de 17.05.2010)