Mittwoch, 2. Dezember 2020

Die Floskel "tatverdächtig"

Todesfahrt in Trier. Tatverdächtiger Bernd W. soll vor den Haftrichter. In Trier soll ein 51-Jähriger gezielt Menschen überfahren und mindestens fünf getötet haben. Die Stadt ist in Trauer. Nun soll der Mann, der womöglich psychisch krank ist, dem Haftrichter vorgeführt werden. 
02.12.2020, 11.36 Uhr (spiegel.de)

Eine SPIEGEL-Diskussion zu dem Bericht, die ich festhalten will: 

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Werner-Jo6gE5GZg vor 5 Stunden "Dringend tatverdächtig ist Bernd W., ein 51 Jahre alter Mann, der laut Polizei rund vier Minuten nach dem ersten Notruf festgenommen werden konnte." Ich denke, man kann die an sich gute Sache mit der Unschuldsvermutung durch solche Formulierungen auch ins Absurde ziehen. 9 2 2 favorite 

Heinz-RY-gN7tMR vor 5 Stunden Wo ist das Problem? Er wird nicht als Täter, sondern als Tatverdächtiger bezeichnet. Tatverdächtiger= Unschuldig, bis Schuld bewiesen. 17 favorite5 

Karl-Ernst -5k_i_MEWg vor 5 Stunden Man ist eben so lange dringend tatverdächtig, oder mutmaßlicher Täter, bis er vom Gericht verurteilt ist. Kann man doch in jedem Fernsehkrimi hören, " Sie sind vorläufig festgenommen wegen dringendem Tatverdacht..." 1 1 favorite 

Human_ist vor 4 Stunden Muteet seltsam an, das stimmt. Da stoppt die Polizei eine Amokfahrt mit nur einer Person im Wagen, zerrt den hinterm Lenkrad raus, fesselt ihn und spricht von Verdacht. Aber so ist es, verurteilt wird durch die Polizei nur bei Robocop. 6 favorite1 

Crom vor 4 Stunden Jugde Dreed nicht vergessen. favorite1 

Human_ist vor 4 Stunden Mannomann, den hatte ich eigentlich im Sinn, danke Crom! favorite1 

Benmartin70 vor 3 Stunden Ich wusste dass er das sagen würde..... favorite 1 

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Nicht gebracht wird bisher das: Da geht jetzt einiges durcheinander. Ich habe nicht die Polizei-Formulierungen kritisiert, sondern die Wiedergabe durch die Journalisten, die das entsprechende Hintergrundwissen ja haben. Was ich also kritisiere ist eine floskelhaftes Nachplappern des juristischen und polizeilichen Jargons, das sich dann auch noch irgendwie rational oder gar progressiv vorkommt. 

Was auch übersehen wird: "tatverdächtig" und alles Vergleichbare heißt nicht "schuldig"; zu einem Schuldspruch gehört natürlich eine Untersuchung. Nur: Wenn ich mit eigenen Augen sehe, wie einer einem anderen 20 Mal das Messer in Brust sticht, und ich sage dann, der Mann mit dem Messer in der Hand sei dieser Tat "verdächtig", dann hab ich, landläufig gesehen, einen an der Klatsche. Im vorliegenden Fall sind wir sehr nahe an dieser Beschreibung.

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