Donnerstag, 31. August 2006

Der Nicht-Schriftsteller

Theodor, 28, an einen Freund:

Wie du weißt, habe ich während des Studiums immer einmal davon gesprochen, daß ich Schriftsteller werden wollte. Nun erkenne ich, daß ich für diese Profession nicht die mindeste Eignung mitbringe. Wie ich zu dieser Erkenntnis gekommen bin? Nun, indem ich einen anderen Menschen aus relativer Nähe dabei beobachtet habe, der Schriftsteller geworden ist. Jemanden, den wir einmal James nennen wollen. James, nur wenig älter als ich, hat mir, seinerzeit, als wir ncoh gemeinsam in T. lebten, seinen ersten Roman gegeben, den er zu veröffentlichen gedachte. Zur Kritik und zum gemeinsamen Abstimmen wohl. Von zukünftigem Schriftsteller zu zukünftigem Schriftsteller.

Ich habe den Roman ernst genommen und kritisch gelesen. Neben so manchem handwerklich-sprachlichen Fehler habe ich in unserer Besprechung kritisiert: Daß er, James, sich über seine Gestalten stelle wie ein überheblicher Gott. Ironisch, besserwisserisch, von oben herab eben. (Selbstverständlich habe ich das weniger aggressiv formuliert.) Ich hingegen war der Meinung, man müsse sich solidarisch machen mit den Gestalten des eigenen Erzählens. Natürlich bliebe einem gar nichts anderes übrig als zu beobachten und zu beschreiben. Aus dieser Lage könne man nie heraus. Aber dann doch -- wie Döblin mit seinem Franz Biberkopf. So müsse es sein. Natürlich werde im 'Alexanderplatz' gezeigt, was für ein beschränkter Mensch das sei, dieser Biberkopf. Aber es werde immer solidarisch mitgelitten. In seinem, James' Roman aber stünde der Erzähler immer hochmütig über den Gestalten.

James hat mir diese Kritik und auch die handwerklichen Vorhaltungen, soweit er beide überhaupt irgendwie ernst genommen hat, wahrscheinlich nie verziehen. Wenig später ist James' Roman unverändert, so wie ich ihn gelesen hatte, erschienen. Wie hatte es James angestellt, einen Verlag zu finden? Nun, er hat einen kleinen, sehr lobenden Artikel über einen etablierten Schriftsteller geschrieben, hat diesen Artikel an den Schrifsteller geschickt, der sich artig bedankte. Worauf James zurückschrieb, er, James, sei ja auch ein Schreibender, und ob er, der Schriftsteller, nicht vielleicht zufällig einen Verleger kenne, der ... So wurde von dem etablierten Schriftsteller der Kontakt zum Verleger XY hergestellt. Und seitdem erscheinen die Romane des damaligen zukünftigen Schriftstellers beim Verlag XY. Oft ausgezeichnet und mit allerlei Preisen versehen. An der hochmütigen Erhebung hat sich entweder niemand gestört oder sie wurde sogar als zeitgemäß und korrekt empfunden. Wer weiß.

Ich habe jedenfalls erkannt, daß ich für die Gebräuche der Schriftstellerzunft kein Talent habe. Wahrscheinlich verachte ich, auch wenn ich gerne und wie gezwungen schreibe und Geschichten ersinne, die ganze Veröffentlichungsbewegung und ihre kulissenhaft-allzumenschlichen Rituale doch sehr. Vielleicht ist es auch nur der Neid, daß ich nicht dazugehöre, der mich die Rituale verachten läßt. Wer weiß. Wie auch immer -- meine Haltung enthält natürlich keine Voraussetzungen, um Schriftsteller zu werden und in der Bewegung der Schriftsteller und Verlage anerkannt zu werden. Um mitzuschwimmen in der Kultur der eigenen Zeit. Ich gehöre einfach nicht dazu. Auch wenn es schmerzlich war, ich habe es rechtzeitig erkannt.

Überschätzte Sexualität

Es ist eigenartig, manchmal wirken tagesjournalistische Sätze wie ein Fanal. Das 20. Jahrhundert habe, schreibt Matthias Heine in der WELT,

"die Sexualität überschätzt. Deshalb wirkt auch [der Film] 'Wie sehr liebst du mich?' ein bisschen altmodisch: Die Macht des Eros, die hier von den Männern beim Anblick von Belluccis Luxuskörper ständig beschworen wird, hat doch durch die geschäftsmäßige Banalisierung ihr Geheimnis verloren. Aber auch das Kino (noch so eine etwas antiquierte Erfindung des 20. Jahrhunderts) war ja immer ein großer Überschätzer des Sex, und es macht Spaß hier noch einmal mit dem alten Blier alte Träume zu träumen."

Wieder ist man bei der Frage, wann der Mensch in seiner historischen Entwicklung dahin gekommen ist, sich zum Geschlechtsakt aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Und sich damit von den Tieren zu unterscheiden. Die biblische Formulierung 'sie erkannten sich' für 'sie hatten Geschlechtsverkehr', hat wahrscheinlich mehr mit tatsächlicher Erkenntnis zu tun, als wir denken. Das Paradigma der Vertreibung aus dem Paradies -- wahrscheinlich doch eine Metapher für eine Erkenntnisstufe: 'Ich und alle anderen -- wir sind alle sterblich. Unser Leben wird eines Tages enden.' Das Ende des schönen tierischen Ewigkeitsgefühls. Warum gepaart mit dem Ende des Geschlechtsakts in der Öffentlichkeit?

Allerdings ist das Tierische noch in reichem Maße da. In den Swingerclubs. Beim 'Jedermann' in Salzburg, den die Schickeria besucht, um sich selbst einmal im Jahr zu bestätigen, daß sie die Erkenntnis ihrer Endlichkeit so wenig im Hirn hat, daß sie locker ein solches Stück übersteht. Ja, mehr noch: daß sie es eben zum Event machen kann, ohne im mindesten zu leiden. Und natürlich und eben auch: im westlichen Kino, wo der inszenierte öffentliche Sex das Paradies durch einen Nebel sichtbar werden läßt.

Mittwoch, 30. August 2006

Luftschiffe

Jetzt kommen wir der Sache schon näher! Leider sieht sie, die Sache, nicht sehr erfolgversprechend aus. auf meine kurze Anfrage hin teilt Herr Dipl.-Ing. Wolfgang Hassa von der Gefa Flug GmbH in Aachen freundlich und schnell mit:

"Unsere Luftschiff haben keine Chance LKWs zu heben, da sie mit einem MTO von 900 kg und einem Eigengewichtsanteil von ca. 500 kg nur 400 kg Nutzlast haben. "

Da läßt sich schon mal hochrechnen, welche Ausmaße ein Luftschiff haben müßte, wenn es eine Lastwagenladung transportieren wollte.

Noch deutlicher wird dann bei Wikipedia in der Diskussionsabteilung der Benutzer Hadhuey. Er schreibt:

Mal zum Vergleich: Cargolifter: 160 t (geplant). Zeppelin NT: 1900 kg (derzeit größtes aktives Luftschiff). Luftschiffe sind zu teuer und wetterabhängig um als LKW-Ersatz zu dienen. Außerdem bräuchte eine entsprechende Infrastruktur sehr viel Platz. Derzeit existieren keine Luftschiffe, die es nutzlastmäßig mit einem LKW aufnehmen könnten.

Ich nehme an, ich erspare mir die Hochrechnung. In der der Seitenwind eh nicht berücksichtigt wäre. Ich antworte: "Danke, Hadhuey, das ist schon mal was! Das führt den phantasievollen Techniker natürlich zu der Frage: Lässt sich was 'Luftschiffartiges' denken, das es mit dem Lkw aufnehmen kann? Und was die Infrastruktur angeht: Autobahnen brauchen auch nicht wenig Platz und Wartung, und Lkw brauchen viel Infrastruktur." Aber das ist, zugegeben, schon sehr defensiv formuliert. Wahrscheinlich wird es also nichts mit dem neuen, stilleren Transportmittel.

Dienstag, 29. August 2006

Französisch -- Liebe auf den ersten Blick

avoir un coup de foudre

Lorsque Juliette rencontra Edouard, elle a eu un coup de foudre. Il y a des choses qui ne s’expliquent pas !…

Liebe auf den ersten Blick sein

Als Juliette Edouard begegnete, war es bei ihr Liebe auf den ersten Blick. Es gibt eben Dinge, die sich nicht erklären lassen ...!



Geheimnisse, ja Wunder der Sprache! Zwei einfache Sätze genügen, um zu sehen, daß selbst recht eng verwandte Sprachen weit voneinander entfernt sind. Das Mittel zu dieser Erkenntnis: Die, soweit es überhaupt geht, wörtlichste Übersetzung, die auch die Stellung der Wörter unangetastet läßt:

Als Juliette begegnete Edouard, sie hat gehabt einen Schlag von Blitz. Es da hat Dinge, die nicht sich erklären nicht.

Wikipedia-Werden

Irgendwann wird Wikipedia noch tiefe Erkenntnisse über das Werden der Vernunft aus dem Geist der Aggression zeitigen. Wenn sich der Pulverdampf verzogen hat. Ich habe mich jedenfalls entschlossen, die schönsten Beispiele für Streit hinter den Kulissen zu sammeln.

Hier noch, ausgerechnet aus dem Artikel "Genie", ein Beispiel:

Legastheniker: deine Lebensgeschichte kannst du einer anderen Person anvertrauen, ich kann da nix ( Rechtsschreibfehler!) dafür.Mit deiner Ausdrucksweise provozierst du Streit und verdirbst anderen usern die Lust an wikipedia. über mich brauchst du keine Beschwerdepage einrichten, es war der erste und vorerst letzte Artikel den ich verfasst habe. Da ich einfach zum Informationsgehalt beitragen wollte, um mir dann prompt deine ständigen Belehrungen anhören zu müssen: Also ausser dir würde sich da niemand melden- was bei einer Beschwerdepage über dich sich anders darstellen würde wie ich vermute.

...

Achja? Dann hätte sich das eine Scheisskuh von Köchin gefälligst auch hinter die Ohren schreiben sollen! Diese Mistziege verdammte *Grummel* Merke noch eins: Soweit ich dass hier mitbekommen habe, und das geht an Hortensee: Das hier ist eigentlich kein Diskussionsforum! Diese Seiten dienen der Artikelarbeit. OK da muss ich mich auch dazuzählen... aber solche Angriffe wie Deiner regen mich einfach auf, denn die sind persönlich und nichts anderes! Was meinen Namen angeht: Keigauna und nicht Keiguna denn im Gegensatz zu anderen Menschen bemühe ich mich wenigstens die Namen richtig zu schreiben und mit Legasthenie kann man sich immer fein raus reden nicht wahr?

...

Wittgenstein-Marketing

Erste Notizen zu einem Vortrag über das Phänomen Wittgenstein als Ergebnis von Marketing:

"Was ist das Wesen des Genies? Es ist die Voraussetzungslosigkeit. Oder, genauer und differenzierter: die in einem Aspekt totale und weil in nur diesem einen Aspekt voraussetzungslos, die doch immer nur: relative Voraussetzungslosigkeit des Denkens und Schaffens.

Relative Voraussetzungsloskeit bedeutet, daß es natürlich viele Voraussetzungen gibt, die auch für das Genie gelten. Vor allem die vorhandene Sprache und das vorhandene Alltagsleben mit ihren Gesetzlichkeiten sind und bleiben Voraussetzungen, die auch das Genie nicht abstreifen kann. Dann aber wird von dem, der dann post festum als Genie eingestuft wird, in einem Bereich die Tradition und das Gewohnt mit einer extremen Souveränität und Leichtigkeit außer Kraft gesetzt. Damit werden dann Feststellungen, die bis dahin den Status von trivialerweise wahr oder selbstverständlich sicher und gültig hatten, für fragwürdig befunden und, zunächst, als nicht sicher außer Kraft gesetzt. Durch die Kraft dieser einen Person, die sich -- in dem betreffenden Bereich -- um geltende Konventionen und Denkschablonen eben nicht schert.

...

Im Genie-Marketing trifft das Unkonventionelle des Genies auf das Konventionelle. Marketing ist das souveräne und letztendlich auch manipulative Spielen mit menschlichen Bedürfnissen. Die beiden wichtigsten Bedürfnisse sind: das Bedürfnis nach Sicherheit in der Entscheidung, was gut und was schlecht ist, und das Bedürfnis nach Dabeisein und Zugehörigkeit und Mitreden-Können."

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Wir müssen den Begriff des Genies differenzieren, bevor wir weiterdenken. Wittgenstein-Kugeln wird es wahrscheinlich nie geben.

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Von Halle (DDR) nach Bagdad (Irak)

Ich war seinerzeit, vor 1989, zweimal für längere Zeit in der DDR. Also nicht nur auf den Transitwegen und auch nicht in Ost-Berlin, sondern in der Provinz. 1986 in Halle bin ich durch die Stadt gegangen. Über allem lag der schwefelige Geruch aus den Braunkohle-Öfen. Damals ist mir die Erkenntnis -- nicht gekommen, sondern allmählich gedämmert, daß die Medien einen Doppelfilter haben aus (a) "Interessiert und nicht wirklich" und (b) "Was nicht sein darf, das kann nicht sein". Also -- da lag vor aller Augen eine ruinenhaft heruntergekommene Innenstadt Halle und am Horizonte erhoben sich die Plattenbauten. Hätte irgendjemand in einem Bonner Ministerium solche Zustände einmal in Augenschein genommen und hochgerechnet, er hätte qua Dienstverpflichtung dem damaligen Bundeskanzler Kohl einen Zettel auf den Schreibtisch lancieren müssen, und auf diesem Zettel hätte stehen müssen: "Keine blühenden Landschaften so schnell möglich!"

Im Fall des Irak ist zu sagen: Immerhin gab es da Warnungen. Richtig übersetzt haben die gelautet: "Wenn ihr den Deckel Saddam und damit seine Unterdrückungsventile vom Topf Irak nehmt, dann kommt es zu einem permanenten Überkochen des Topfes, und so leicht werdet ihr diesen Topf nicht mehr geschlossen bekommen." Aber keiner der Verantwortlichen hat das wohl so recht begreifen können. Die feste Überzeugung: "Wir bringen dem irakischen Volk Freiheit. Fegen den Diktator hinweg. Selbstverständlich -- man wird jubeln und uns allenthalben danken! Und dann ordnen wir die Dinge neu. Demokratisch. Für bestehende Widersprüche und Interessengegensätze finden wir faire Lösungen." (Nicht alles auf Bush schieben! So denkt das Nicht-Experten-Amerika, also das Volk, die Wähler. So denkt überhaupt der Hauptteil der westlichen Welt. Der Anteil jener in Deutschland, der gerne die Unterdrückung als ortsübliche Folklore bewahren möchte, einmal mitgerechnet.)

Jetzt wissen wir es also besser. Im SPIEGEL ein Artikel: "Das Netz der Spinne"*. "Tausende sind in den vergangenen Wochen ums Leben gekommen, weit mehr als bei der Libanon-Invasion Israels."

Der Vorschlag, ganz ruhig. Nennen wir die Dinge beim Namen. Bringen wir sie auf den Punkt. Über Afghanistan und den Irak hinaus verallgemeinert. Nehmen wir die Medien-Filter (a) und (b) weg. Dann lautet die schlichte Wahrheit: Es gibt Staaten, deren mehr oder weniger nicht-homogene Völker nicht nur für den Demokratie-Gedanken der westlichen Welt nicht reif sind; die Menschen dort haben darüber hinaus in ihrer Mehrzahl auch ein Weltbild, das nur auf unmittelbare Gewalt reagiert.

Was folgt daraus? So verrückt es klingt: Saddam war das kleinere Übel. Er war ein wahrer Sohn seiner Völker. (Nein, das ist dann nicht die Annahme von ortsüblicher politischer Folklore!) Die Annahme, die aktuellen Opfer, die jetzt Unterdrückten, die Kurden beispielsweise, seien moralisch besser und demokratisch weiter ist eine lächerlich falsche Annahme.

Natürlich liegt dann der Relativismus extrem nahe. Die Sache ist auch perfekt unvollständig. Wirtschaftliche Interessen und Verflechtungen müßten jetzt bedacht werden. Aber dann wird alles sehr, sehr komplex. Was nicht heißt, daß es unmöglich ist, alles in ein System zu bringen. In dem prinzipiell unsystematisierbare Teile als solche benannt und anerkannt sind. Es bräuchte nur Zeit und Energie.

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DER SPIEGEL 35 / 28.08.2006, S. 108ff.

Montag, 28. August 2006

Geistvolle Wortspiele der Werbung

Man lernt nicht aus! Beim SPIEGEL gibt es -- Staunen 1 -- eine "Fotostrecke" zu und mit Dieter Bohlen. Und da liest man mit Staunen 2 die folgende Mitteilung:

"Bohlen mit Ex-Freundin 'Naddel': Vor Gericht erwirkte Naddel, dass der Begriff 'Anstecknaddel' nicht mehr verwendet werden darf. Dieter Bohlen hatte in einer "Müllermilch"-Werbung jedem Einsender von 10-Müllermilchdeckeln eine 'Anstecknaddel' versprochen."

Luftschiffe

Eine Dame vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat auf meine Anfrage geantwortet. Da es eine Antwort aus dem der Öffentlichkeit gegenüber verpflichteten politischen Raum ist, zitiere ich mal ohne vorherige Rückfrage:

"Für die Beantwortung einiger der von Ihnen formulierten Fragen lässt sich mit Hilfe des Studiums einschlägiger Fachliteratur eine Antwort ermitteln. Auch das heute als sehr wichtige Informationsquelle genutzte Internet eröffnet bei der Eingabe von Suchbegriffen in bekannten Suchmaschinen zahlreiche interessante Homepages.

Weitestgehend handelt es sich bei der Beantwortung dieser Fragen um technische Auskünfte, die auch nicht in der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung liegen. Ansprechpartner sind sicher die Unternehmen, die u. a. Luftschiffe produzieren. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich dorthin zu wenden. Ansprechpartner könnte auch das Land Brandenburg sein, da es sich bei Cargolifter um ein wirtschaftliches Unternehmen handelte. Wirtschaftliche Unternehmen liegen in der Zuständigkeit der Bundesländer.

Broschüren dazu gibt es im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nicht."


Was bleibt anzumerken: Der Wink mit dem Zaunpfahl, ungefähr des Inhalts "Bitte mißbrauchen Sie uns nicht als billige Auskunftei!" ist nicht zu überhören. Nicht ganz falsch. Allerdings hatte ich angedeutet, daß ich mich bei den naheliegenden Auskunft-Stellen umgesehen habe, ohne in der Sache zu einem Ergebnis zu kommen.

Die Sache mit der Nicht-Zuständigkeit ist für den Außenstehenden doch erstaunlich. Natürlich würde man denken, daß es in einem großen deutschen Bundesministerium eine Abteilung "Innovative Verkehrskonzepte" mit drei festangestellten und fünf freiberuflichen Trendscouts gibt, wo die Dame vom E-Mail-Eingang eine Mail hinschickt und wo solche Fragen aus dem Volk dann aufgenommen und leichthin mit gewichtigem Inhalt beantwortet werden. Erwartete Antwort meinerseits: "Luftschiffte als Lastenträger? -- Haben wir selbstverständlich längst mehrfach durchgedacht und durchgerechnet. Mit den Ergebnissen, die in der angehängten pdf-Datei nachzulesen sind." Aber so ist es nun also nicht, und die tatsächliche Antwort fällt doch, mit Verlaub, im Ton reichlich bürokratisch bis amtschimmelig aus.

Zum Thema Bürokratie und Bürgermitwirkung.

Sehr freundlich dann aber durchaus die Schlußformel, die lautet:

"Mit freundlichen Grüßen und viel Freude am Studium zu dieser Thematik"

My Office

Der schöne Dienst "One Word a Day" bringt heute, ein Beispiel, das genau auf mich zutrifft. So sei es hier zitiert und öffentlich gemacht.

It's time that I cleaned up my office. It's full of FLOTSAM AND JETSAM.

flotsam and jetsam Definition: rubbish from a ship. German translation: = das Strandgut, das Treibgut.

Sonntag, 27. August 2006

MONSTER-Jobsuche

Sind vielleicht doch mehr Probleme als man denkt Sprachprobleme? Wir kennen alle aus der Werbung die Idee hinter der MONSTER-Jobsuche. Aber wer um Himmels willen ist darauf gekommen, ausgerechnet MONSTER als Schlagwort für eine Jobvermittlung zu nehmen? Hatte da jemand kein Finger- spitzengefühl?*

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* Wer jetzt nicht weiß, was ich meine, sollte mal für fünf Minuten auf seine Fingerspitzen sehen!

Spam und die Folgen

Bezugnehmend auf den Erkenntnisgewinn in Sachen Bloggen und die Sache mit dem Spam im Blog: Die wohlwohlenden, allerdings etwas hölzern klingenden englischen Kommentare enthalten ein kleines Zeichen, so ein französisches Anführungszeichen geschlossen. >>. Das habe ich nicht beachtet und erst heute mal darauf geklickt. Worauf ich auf den Seiten von DELL und -- man glaubt's ja zuerst nicht! -- NECKERMANN gelandet bin. Dann hab ich aufgehört mit dem Klicken. Was doch die Blödheit der Menschen so alles anrichtet. Überall und immer.

Jetzt weiß ich immerhin: Da liegt der Spam-Hund begraben! Und ich muß diese Kommentare von Hand suchen und löschen? Oder geht es auch einfacher? Gibt es irgendwo einen Filter, den ich nicht aktiviert habe? Ich werd schon noch schlau werden.

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So, und jetzt geht wirklich nichts mehr? Der Eintrag trotz sorgfältigen Buchstaben-Abtippens wird nicht akzeptiert.

Die Fehlermeldung sieht so aus:
001 java.io.IOException: No space left on deviceblog/26/51/12/haizara-x/archives/2006_08_01_haizara-x_archive.html

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Ungefähr drei Stunden ging nichts mehr. Kein Abspeichern möglich. Jetzt scheint Hochladen wieder möglich zu sein. Aber: Ich finde keine Funktion, mit der ich anzeigen könnte, welche Beiträge einen Kommentar erhalten. Oder mit der ich schon eingestellte Kommentare isoliert sichtbar machen und ggf. löschen könnte.


Morgennachrichten

Während die Welt auf den Libanon und die Palästinenser schaut, wird in der Morgensendung von Bayern 5, Hörfunk, die Bürgerkriegslage im Sudan umrissen. Die große Zahl der Toten. Die Weigerung der Regierung, internationale Schlichtung zuzulassen. Wer ist da gegen wen? Schlagwort immer wieder: "die Reitermilizen". Man stelle sich vor! Tötende Reiter!

Wir kennen die Hisbollah aus den Nachrichten zur genüge. Weiß jemand etwas über die Sudanesische Befreiungsarmee?

Nein, keine Wahrnehmung in der Welt, was die Toten im Sudan angeht. Die Aufständischen haben, im Gegensatz zu den Palästinensern, keine gute Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit, muß man wohl sagen. Ohne Zynismus. Die Techniken, das Wissen, wie man wirklich groß und beständig in die Nachrichten kommt, ist heute mindestens so wichtig wie der Besitz von Waffen.

Blog-Erkenntnisgewinn

Auf einmal taucht das auf:

Zuerst denke ich, das ist eine Blogger-Neuerung. Dann schaue ich doch mal nach. Und sehe: Ich, ganz und gar natürlicher Mensch, bin in den Verdacht geraten, eine Spam-Maschine zu sein!* Deshalb muß ich jedesmal diese lustigen Buchstaben eingeben. Ja, sapperlott!

Ich komme allmählich dahinter. Wahrscheinlich bin nicht ich verantwortlich, sondern die freundlichen amerikanischen Kommentatoren, die ich ad experimentum alle stehengelassen habe. Das sind die Maschinen!

Ach so. Jetzt soll ich "zqigonhd" eingeben, um zu beweisen, daß ich ein Mensch bin.

Nun, um mit Fritz Teufel zu sprechen: "Wenn's der Wahrheitsfindung dient?!"

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* Erinnert natürlich an jene alten SF-Filme, in denen eine Gestalt, die bis dahin ganz sicher war, daß sie ein echter Mensch ist, sich, vom plötzlichen Zweifel übermannt, ritsch-ratsch den Arm aufschneidet. Nur, um zu entdecken, daß sich unter der scheinbar so natürlichen Haut Kabel und Stahl befinden.

Samstag, 26. August 2006

Wikipedia-Werden

Gar nicht uninteressant, hin und wieder einen Blick hinter die Kulissen von Wikipedia zu werfen! Der Lyriker Günter Eich ist über die Grass-SS-Mitgliedschaft in den Blick der Kritiker gekommen. Das führt zu Auseinandersetzungen.


Verstrickungen in der NS-Zeit?

Es fehlt die Diskussion um Eichs Verstrickungen in der NS-Zeit. Ich notiere mal. Wer es besser weiß, trage nach. -- Delabarquera. --172.176.87.184 17:56, 24. Aug 2006 (CEST)

„Zu kritischen Diskussionen kam es, als Eichs Rundfunk-Produktionen während der NS-Zeit bekannt wurden. In einer Sonnenwend-Hymne hatte er beispielsweise 1937 gedichtet: Du schönes Land, in dem die Deutschen wohnen, mach wieder deine blauen Augen auf.

Diese von 172.176.87.184 ergänzten Sätze stellen unbelegte Behauptungen auf, die im Widerspruch zum Werk und Aussagen stehn. Es gab keine „Verstrickungen mit dem NS-Regime.“ - Bitte hier auf der Diskuseite gründlich diskutieren, nicht den Artikel mißbrauchen. --Albrecht1 19:21, 24. Aug 2006 (CEST)

Dieser kleine Nachtrag, den ich eingefügt habe, geht inhaltlich, einschließlich des Zitierten, auf den SPIEGEL-Bericht über Günter Grass zurück (die SPIEGEL-Nummer mit dem "Stahlhelm"-Trommler auf dem Titelbild). [...] Delabarquera. -- --172.208.123.179 12:51, 26. Aug 2006 (CEST)

Freitag, 25. August 2006

Das Parfum (Film)

Von Katja Nicodemus in der ZEIT (24.08.2006, Feuilleton, S. 24) eine Kritik des Films "Das Parfum", nach dem Roman von Patrick Süskind. Regie: Tom Tykwer. Produktion: Na-wer-schon-Bernd-Eichinger. Eine Kritik als Breitseite. Leicht zu verwechseln mit einem Feuerwerk, wegen der vielen brillanten Formulierungen. Aber dennoch -- von dem Film bleibt nach dieser Attacke nicht viel übrig. (So daß ich per Mitleid beschließe, mir den Film auf jeden Fall anzusehen.)

Zitate:

Zu Tykwer: "Er ist der Maler, der, mit allen Farben und Pinseln ausgerüstet, vor seiner Staffelei steht, der, das Motiv vor Augen, von der Überhöhung träumt und am Ende doch wieder beim Malen nach Zahlen landet."

Feinheit, in Sachen Beleuchtung: "Auf ihrer [Tykwer / Eichinger] Leinwand sieht das Paris des 18. Jahrhunderts aus, als werde es immerzu von denselben drei Kerzen angeleuchtet."

Schlußszene: "Zu sehen ist [...] ein großes Statistengewühle, über dem der unerotische Geist eines Grünen-Parteitags schwebt, einschließlich eines Rezzo-Schlauch-Doppelgängers in der Rolle eines enthemmten Bischofs."

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Nachtrag am 16.04.2007: Es gab ja heftigen Diskussionen, ob die Kritiker die Filme nicht aus purem Eigensinn totschreiben. Der Produzent im SPIEGEL. Vergessen zu notieren. Die Antwort darauf war ziemlich mau.

Semantische Schlieren

Ein Wörterbuch fördert die Übersetzungsmöglichkeiten des englischen Adjektivs audacious zutage: dreist, kühn, unverfroren, waghalsig. Schön läßt sich zeigen, was semantische Unschärfen sind: dreist und unverfroren sind im Deutschen Negativ-Kennungen. Kühn und waghalsig schweben zwischen Bewunderung und Bangen, mit einem Schuß möglicher, aber eben nicht sicherer Ablehnung. Mit noch ein paar, nein: viel mehr Besonderheiten, wenn man an die Kontexte herangeht. (kühner Vergleich / kühne Tat usw.) So ziehen auch nah verwandte Sprachen wie Deutsch und Englisch im Bereich der Bedeutung ganz unterschiedlich geformte Schlieren um die -- zweifellos vorhandenen, aber eben auch immer an den Rändern unscharfen -- Bedeutungskerne herum.

Unsinn verstehen

Der vorausgehende Beitrag zum Thema Wortbildung mit den dazugehörigen sprachkritischen Anmerkungen läßt mich nicht ruhen. Bei Wikipedia kann man leicht ein ganzes Portal zusammenschneidern, wenn es um die Frage hochtrabend daherkommenden Unsinns geht. Ich fange hier mal an und ergänze später wie es denn so kommt.

Bullshit-Bingo
Bullshit-Generator
Grubenhund
Sokal-Affäre*

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* Was die Sokal-Affäre angeht, so ist es interessant, wie dagegengehalten wurde. So differenziert, daß man den Eindruck gewinnt: Hier wird mit bekannten Techniken eine ganz Reihe der wichtigsten kognitiven Fragen vom Tisch gepustet. (Eigentlich: ... zu pusten versucht. Aber das klingt arg daneben.) Im Kern die Frage: "Wie kann ich SINNVOLLES von UNSINNIGEM unterscheiden?" Wenn es Kennern der jeweiligen Fragen und des dazugehörigen Jargons nicht mehr gelingt, eine Nonsense-Parodie von einem echten Text zu unterscheiden, dann ist die Grenze objektiv überschritten, möchte man sagen. Aber dann Monsieur Latour sofort und ruft, daß das mit dem objektiv ja so nicht stimme... Vielleicht ist es doch an der Zeit, sich der Sache mit der Verständlichkeit noch einmal in aller Ruhe anzunehmen. -- Weiter: Sokals Kommentar (englisch) / französisch. -- Noch ein kleiner Nachtrag: Gute Zusammenfassung mit ebenso guter Linksammlung.


Wortbildung, deutsche

Wie doch Schlüsselwörter entstehen und sich durchsetzen! Unvermutet, plötzlich, anarchisch und doch irgendwie -- irgendwie auch regelhaft. "Schwanzvergleich"* ist dieser Tage so ein Wort.

Als ich dieses Wort zu ersten Mal gelesen habe, durchaus im Kontext, aber in einem nicht-erklärenden, da dachte ich, es handle sich um einen Terminus Technicus aus einer Programmiersprache.

Dann aber wurde klar, daß das Trvialiste vom Trivalen damit gemeint war. Dann freilich metaphorisch überhöht. Jungen, die ihre Penisse vorzeigen, um herauszfinden, wer den längsten hat. Eine Art, mit obszönem Stolz zu hantieren. Jetzt also unter Erwachsenen oder doch fast Erwachsenen.

In dieser Wortkarriere steckt: "So was macht man doch nicht!" Aber doch auch viel verlegenes Lächeln! "Buben, die sind halt so." Also hat her Schöpfer dieses 'Wortes mit Karriere' an das einfachste gedacht: Wie pubertäre Buben stellen sich die Blogschreiber und andere ihre Zahlen hin:
Meine Seite wurde so oft aufgerufen! Kannste da mithalten? Wer hat die meist-aufgerufene Seite? Ich bin schon wieder unter den ersten 100.

Quantität absolut vor Qualität...?

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* Bei Wikepedia erscheint doch tatsächlich das: "
Unter diesem Lemma wurden in der Vergangenheit wiederholt Texte eingestellt, die nach den Lösch- oder Schnelllöschregeln gelöscht wurden. Um weitere Versuche zu unterbinden, wurde dieses Lemma vorerst gesperrt. Wenn Du hier einen Artikel anlegen möchtest, dann wende Dich bitte unter Nennung des Lemmas Schwanzvergleich an Wikipedia:Wiederherstellungswünsche. Vielen Dank für Dein Verständnis." Dazu kann man nur sagen: Wissenschaftlich-linguistisch ist das nicht! Da zählt tatsächlich allein der Erfolg. Maxime: Ein Wort wird gebraucht -- also rein damit, ins Wörterbuch! -- Ach ja, und auf diesem Streifzug entdecke ich ein wunderbares Phänomen, nur als Einstieg in eine ganze Kaskade von ähnlichen sprachkritischen Begriffen.

Medienkonsum

Gestern, bei Lektüre von Zeitungen, der Gedanke: Es fehlt ein empirisch hin und her gewendetes Modell des Medienkonsums.
  • Was lesen wir?
  • Nach welchen Auswahlkriterien?
  • Was bleibt hängen?
  • Welche Lesearten gibt es bei welchen menschlichen Lesetypen?
    • Was heißt es beispielsweise 'einen Artikel zu überfliegen' oder 'intensiv zu lesen'?
    • Wie lange brauchen verschiedene Menschen zum einen und zum anderen?
    • Welche Stufen und Cluster liegen zwischen den Extremen?
Klar ist, daß wir von der Zeitungslektüre nichts wörtlich behalten.
  • Wie aber bildet sich aus dem Verdauen von Nachrichten der Körper unseres Geistes?
  • Und was beeinflußt uns, vielleicht ohne daß wir es recht merken, nachhaltiger als anderes?
  • Gibt es den einzelnen Artikel, der unser Weltbild komplett umdreht?
    • Wenn nicht: Woran liegt das?
    • Wenn doch: Welche Art von Artikel ist das bei den verschiedenen Menschentypen?

Donnerstag, 24. August 2006

Grass, Günter

Hierher gehört, nachgetragen, aber an die Spitze nachgetragen: Martensteins These! (08.06.2010)

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Da kommt man von Frankkreich nach Deutschland zurück, war kaum 14 Tage weg, und was erwartet einen daheim: Fast-Attentate und ein erstaunliches Günter-Grass-Bekenntnis. (Den kalauernden Schriftversuch, den Mann nun GraSS zu schreiben, habe ich bisher nirgendwo gesehen; aber jetzt wissen die Schüler via Eselsbrücke, daß sich der Dichter nicht mit "scharfem S" schreibt.)

Der SPIEGEL nennt Grass nun den BLECHTROMMLER und macht aber via Titelbild aus GG einen SS-Stahlhelm-Trommler...

Und jetzt mal ernsthaft: Was bleibt zu sagen? Doch nur so viel: Daß es einen Menschenschlag gibt, der in jeder gesellschaftlichen Formation nach vorne drängt, hin zu Einfluß und Ruhm. Und ein Teil dieser Menschen hat -- von vielen Deutsch-, Geschichts- und sonstigen -Lehrern und auch von vielen Journalisten arg bewundert -- Erfolg. Dem SPIEGEL ist es zu danken, daß man, was die NS-Verstrickungen angeht, eine einschlägige Liste leicht abschreiben kann.
  • Werner Höfer, Fernsehjournalist und internationaler Frühschöppner
  • Günter Eich, Lyriker und Mitbegründer der Gruppe 47
  • Hans Schwerte, alias Hans Ernst Schneider, Germanist und Rektor der TU Aachen
  • Walter Höllerer, Dichter und Literaturprofessor
  • Peter Wapnewski, Gründungsrektor Berliner Wissenschaftskolleg und ZEIT-Autor
  • Walter Jens, Tübinger Rhetorik-Professor und Fußball-Schöngeist (neben vielem anderen)*
Was ist das Zentrum aller Gedanken? Sie wollten nach oben, nach vorne, dahin, wo das gesellschaftliche Ansehen, der Einfluß und die Macht ist. Wer will das nicht?! Da einmal angekommen, gaben sie sich lächelnd-jovial zuweilen bescheiden, meist aber eben -- dem Geist der neuen Demokratie immer irgendwie besserwisserisch verpflichtet -- kritisch! Die Leistung dieser, ja nun, keine Frau dabei, also: dieser Männer geht durchaus über den Rang von Normal-Opportunisten hinaus, denn die bringen es höchstens zum Amtmann in Gelsenkirchen, vielleicht auch mal zum Vorsitzenden der Kammer beim Oberverwaltungsgericht in Münster oder zum Professor für Neuere Geschichte in... Ach nein, lassen wir das!

Nein, es gibt einen ausgezeichneten Menschenschlag, der es ganz nach oben schafft, in Politik, Wirtschaft, Kunst und, ja auch: in der Wissenschaft. Nur in Zeiten gesellschaftlicher Bruchlinien wird erkennbar, daß viele, vielleicht die meisten dieser nach vorn und oben Strebenden eben unter allen Umständen dahin wollen, wo die hohe Luft des Ruhms und des Einflusses sie umweht.

Wer übrigens noch weitere Namen der Zeitgeschichte einsetzen möchte, wird leicht hier und hier fündig.

Und damit der schräge Humor nicht zu kurz kommt, sei doch noch auch eine Frau genannt, die mit zwei sehr unterschiedlichen Karrieren wirklich hoch hinaus wollte -- und kam: Beate Uhse.

Herostratos***, der mit einem Diana-Tempel-Anzünden unsterblich wurde, als Prinzip des Koste-es-was-es-wolle? Vielleicht hat jener Psycho-Und-sonst-was doch recht, der konstatiert, um Robby-Williams-mäßig nach oben zu schießen, bedürfe es größter seelischer Schäden und Verwerfungen. Vulgo: Man muß einen rechten Schuß haben, um das mit dem Nach-oben in der Gesellschaft der Halbwegsnormalen zu schaffen. (Gleichzeitig ein Trost an alle Normalos, die es nicht geschafft haben: 'Ihr seid im Kern einfach nicht verrückt genug!') Ob man das bei den Faschismus- und Totalitarismustheorien bitte berücksichtigen könnte? Dann wäre viel gewonnen. Wenn man auf dem entsprechenden Bild sieht, wie schon der Schüler Hitler mit verschränkten Armen und herrischem Blick über der Schar seiner Klasse thront -- Jesses na, was gibt es doch hinter den Untiefen für Tiefen in der Seele der Menschen! Und was für Naturgesetze, die viel komplizierter sind, als die, die das Wetter beherrschen!

NACHTRAG1: Lesenswert ist der Steidl-Bericht in der WELT. Aber auch hier weht der Nebel über der Tatsache, daß kaum jemand Grass einen Vorwurf machen wird, weil er in so jungen Jahren für kurze Zeit in der SS war, sondern eben nur: Daß er, Moralist der anderen, der er war, das nicht schon früher kundgetan hat. Und natürlich, und da hat der SPIEGEL schon recht, dann hätte er von Beginn an nicht die moralische Wucht in seine Schläge legen können. Wahrscheinlich wäre er als Moralist einfach nicht anerkannt worden. Mit so vielen anderen Folgen in Sachen Erfolg. Einschließlich der Frage, ob es zum Nobel-Preis dann gereicht hätte.*

NACHTRAG 2: Man kann es fast nicht glauben ...!

Dieser Link funktioniert offenbar nicht mehr, weil der Tagesspiegel gelöscht oder unauffindbar archiviert hat. Aber das hier ist auch nicht schlecht:
„Es gibt unerinnerbare Erlebnisse“. Jörg Andrees Elten, der bei der Waffen-SS war, über die NS-Jugend und die Mechanik der Verdrängung. (11.06.2010)

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* NACHTRAG / DIE WELT vom 29.08.2006: "Der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa hat Günter Grass wegen seines Eingeständnisses, Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, in Schutz genommen. Die Reaktionen darauf seien nicht angemessen. Grass wäre von seinen politischen und literarischen Gegnern disqualifiziert worden, wenn er sich früher darüber geäußert hätte, erklärte Vargas Llosa in der spanischen Tageszeitung 'El País'." Nun denn -- QED!

** Ein Fund: In der Wikipedia-Diskussion zu Walter Jens schreibt Dankward Sidow am 10. September 2005 unter der Titelfrage "Jens - Bekennender Moralist??":

"Da habe ich aufgrund eigner Erfahrungen mit diesem Mitschüler aus der Schule Breitenfelder Straße 35 in Hamburg-Eppendorf, was sein Verhältnis zu Juden und seine Versprechungen coram publico betrifft, meine begründeten Zweifel - ich würde ihn einen Opportunisten nennen, der dank seiner professoralen Eloquenz die Dinge in seinem Sinne zu wenden versteht."

*** Vorschlag für einen kleinen Aufschrei: "Ach du lieber Herostratos!" Denn da ist ja auch noch jener Gefängnisinsasse, von dem man seinerzeit lesen konnte, er habe die Erpressung des Bankiers versucht, weil er bei seinen Freunden finanziell nicht mithalten konnte. Eine spezielle Form des Jus-Studenten-Ehrgeizes, könnte man sagen. Als Nebenbei-Delikt hat der Ehrgeizige dann das Kind ermordet, das er entführt hatte. Und nun wird sichtbar, daß er es einfach nicht lassen kann. Das Geld war, so wird klar, das eine, der Egal-wie-Ruhm das andere. Weil aus den Schlagzeilen sucht der verurteilte Kindsmörder diese Schlagzeilen wieder. Mit einem Entwurf für gute Taten. Ausgerechnet. Im Gespräch sein, egal wie und warum. Wenn es nicht anders geht, dann eben als Partyluder einer sich plusternden Medienwelt. Hier hängt wirklich alles mit allem zusammen. Der Nobel-Preisträger Grass und der und die und der auch.

Literatur und Biographie

Voller Angst sind die Literaturanalytiker darauf bedacht, Werk und Dichter geschieden zu halten. So wird das andere nicht durch die Unzulänglichkeiten des einen verletzt. Offenbar hatten frühere Zeiten ein viel einfacheres Verhältnis zum Verhältnis von Literatur und Personen, die diese Literatur erzeugten. Hölderlin hat nicht nur seine Diotima der konkreten Person nachgedichtet, er legt auch der Delia im Empedokles die Worte in den Mund:*

Sophokles! dem vor allen Sterblichen
Zuerst der Jungfraun herrlichste Natur
Erschien und sich zum reinen Angedenken
In seine Seele gab --
jede wünscht sich, ein Gedanke
Des Herrlichsten zu sein, und möchte gern
Die immerschöne Jugend, eh sie welkt,
Hinüber in des Dichters Seele retten
Und frägt und sinnet, welche von den Jungfraun
Der Stadt die zärtlichere Heoide sei,
Die er Antigone genannt; ...

Wodurch kommt überhaupt das Problem auf, Biographie und Werk als in Spannung befindlich zu sehen? Warum ist nicht ohne Debattieren klar, daß jemand, der schreibt, etwas haben muß, das ihm -- in allerrealster Weise -- Gegenstand seines Schreibens ist? Man wird doch beiden, der literarischen wie der wirklichen Gestalt nicht gerecht, wenn man insistiert, daß die Dichtung 'mehr' sei, als die Beschreibung des einzeln-konkreten Menschen. Wodurch wird sie mehr? Durch den Leser. Klar, was aber ist daran besonderes? Erst durch die Illustrierten-Literaturwissenschaftler, die alle Literatur mit dem Haut-gout des Biographischen würzen müssen, um dann anschließend sich in die Brust werfend zu behaupten, Literatur sei mehr als das Private -- erst durch diese ist die schöne Selbstverständlichkeit des Verhältnisses doch aus den Fugen geraten.

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* Hölderlin, Empedokles I. -- Werke Bd. II, 466

Aus einem alten Zettelkasten. Datum: 6. Oktober 1977.

Kommentare / Comments

Aus Frankreich zurück. Lange offline. Als Erholung empfunden. Allerdings auch: Entzugserscheinungen, wenn das "Eben-mal- bei-Wikipedia-Nachschaun" nicht möglich war. ("Wie war das noch mal mit den Katharern? Und waren die Albigenser eine Unterabteilung der Katharer oder was?" "Ach ja, und natürlich: "Wie ist das mit der Verschwörungstheorie um Rennes-le-Château?")

Die Mails gesichtet. Dann einen Blick auf diesen Blog geworfen. Sieh da, viele Kommentare! Und alle englisch.

Wie kommt's? Frage ich mich. Einfach so.

Ich setze alle Kommentare rein, auch die, die erkennbar nur den Zweck haben, auf irgendwelche kommerziellen Seiten aufmerksam zu machen. Weil das Veröffentlichen vorläufig ja nur der Blogosphäre- Erkenntnisgewinnung dient.

Donnerstag, 3. August 2006

Staatspsychiater

Die Lage ist verdammt verfahren. Zum Heulen. Die Interpretationshintergründe, die ausgegraben werden, noch mehr. Im Radio eine Sendung: daß jetzt der Einfluß des jüdischen Netzwerks in den USA offengelegt wurde. Er, der Einfluß, auf die offizielle Politik der USA sei gigantisch.

Auf der anderen Seite: Blogger-Vermutungen, aus der Zeitung genommen: daß Bilder von den Opfern der israelischen Bomben zu Propagandazwecken systematisch von der Hisbollah systematisch gefälscht werden.

Noch einmal auf der anderen Seite: Wenn Menschen im Libanon sterben -- in dem Mendien als Zivilisten hervorgehoben und beklagt, als ob Soldaten Maschinen seien --, dann muß man wohl auch noch darauf hinweisen, daß die, die von palästinensischen Selbstmordattentätern in Cafés getötet wurden, auch solche Zivilisten waren. Ungeschieden Frauen, Kinder, Männer, Alte. Wie das so ist, wenn der Wahnsinn regiert. Auf allen Seiten schiere Verrücktheit. Und der Beruf des Volks- und Staatspsychiaters, der ganze Völker und Regierungen therapiert, ist noch nicht erfunden!

Mel Gibson ...

... sei "ausgerastet", meint die WELT. Nun ja. Und irgendwann heißt es dann:

"Der hochmögende politische Kolumnist Richard Cohen erhebt Gibsons Antisemitismus gar zur Metapher für den Zeitgeistwandel nach Israels Invasion: "Die Welt erlebt einen Mel-Gibson-Moment." Zu viel der Ehre. Die Welt ist nicht einmal Alkoholiker."

Man höre das schöne alte Wort: hochmögende. Das bedeutet was? Versuchen Sie's mal zu erklären...

Nein, aber etwas anderes ist wichtiger. Die Welt ist nicht Alkoholiker? Politisch korrekt, bitte: Sie ist es. Und zwar Alkoholikerin! Wenn sie es nicht wäre, wäre es aber auch nicht besser. Dann wäre sie ja nur Realität. Denn wie lautet der alte Spruch? "Realität ist ein Zustand, der durch Alkoholmangel hervorgerufen wird." Na also.

Mittwoch, 2. August 2006

Hans-Olaf Henkel

Wenn im neuen SPIEGEL* etwas gelesen werden muß, dann das Interview mit Henkel. Wie er über Piech spricht, das ist schon bemerkenswert. Auch sonst ein eigenständiger Geist. Schade -- das kommt aber woanders her --, daß er nicht wirklich über die eigenen Denkvoraussetzungen nachdenkt.

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DER SPIEGEL (31/2006) - 31.07.2006. SPIEGEL-GESPRÄCH : "Es stinkt zum Himmel". Der frühere BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel über seine Attacke auf den eigenen Verband, den politischen Stillstand in Zeiten der Großen Koalition sowie die Frage, ob er selbst der letzte Rocker der deutschen Industrie sei - oder nur ein grandios gescheiterter Lobby-Trommler.

Man kann aber auch die altera pars lesen.

Dienstag, 1. August 2006

Staatsverschuldung

Manchmal ist es doch erstaunlich, wo man bei und dann vor allem: nach der morgendlichen Zeitungslektüre gedanklich so hängenbleibt. Ich bleibe heute hängen: Bei ...
  • ... einer Anzeige in FORSCHUNG & LEHRE 8 / 2006, Umschlagrückseite: Deutsche Fragen. Wie kommt der Staat aus der Schuldenfalle?"
  • ... einem Artikel in der Rubrik Börsen und Finanzen in der SZ von heute, Di 1 August 2006, S. 26: "Chinesen und Araber im Dollar-Dilemma".
In beiden Fällen geht es ganz offensichtlich um -- Geld. Irgendwo muß es sogar direkte Bezugspunkte geben. Aber zunächst mal wird klar: In der Welt des Geldes geht es mindestens so kompliziert zu wie in der Atmosphäre. Durchblick und vor allem: zielgerichtetes Regulieren ist genauso schwer wie Analyse der atmosphärischen Veränderungen, des Treibhauseffekts, wie die Wettervorhersage und, oben drauf: eine mögliche Zurückveränderung der Atmos- phärenerwärmung mit technischen Mitteln.*

Die Experten sind mit Bild aufgeführt:
  • Mann. Sieht aus wie der überaus freundliche, umgängliche, in seinem Job zufriedene Cheffahrer eines Aufsichtsrats- vorsitzenden (= Arndt, Rektor Uni Mannheim)
  • Mann. Sieht aus wie der bedächtige und doch dynamische Ökobauer von der Schwäbischen Alb (Metzger, MdB, Grüne)
  • Mann. Sieht aus wie der seine Aufgabe immer ernstnehmende und darum auch immer müd-ernste Leiter der Sparkassenfiliale Ibbenbüren (= Müller-Vogg, Publizist)
  • Frau. (Frau!) Strahlend lächelnd. So aus dem Satz heraus: "Was? Und das wollen Sie jetzt wirklich von mir wissen? Wie sympathisch Sie mir sind?!" Typus: geniale, selbstbewußte Chefsekretärin. (= Petra Neureither, Vorstand SNP AG, Heidelberg)
  • Mann. Sieht aus wie der immer verbindliche Oberstudiendirektor des Gymnasiums Esslingen. (= Oettinger, Ministerpräsident Baden-Württemberg)
  • Mann. Sieht aus wie der Leiter der Personalabteilung eines mittelständischen Betriebes in Stuttgart: Professionell prüfender, leicht herablassender Blick: "So, und jetzt kommen Sie bitte mal her uns lassen sich von mir durchschauen!" (= Weber. Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes deutscher Banken.)
Diese sechs Experten also sollen und wollen sagen, wie die Staatsverschuldung abgebaut werden kann. 4 Euro zuzahlen und lesen. Anruf bei der angegebenen Telefonnummer in Berlin. Nein, bei Banken kann man das nicht direkt erwerben, und im Internet, als pdf-Datei ist es auch nicht zu haben. Schade! Wären ja zwei Ideen gewesen. Jetzt werde ich das erst nach dem Urlaub lesen können.

Und die vielen Dollars der Chinesen, die vom Wertverfall bedroht sind? Die haben was mit unserer Staatsverschuldung zu tun. Das spüre ich. Noch allerdings kann ich die Beziehungen nicht formulieren. Mal sehen, wie es nach der Lektüre des ExpertInnen-Buchs aussieht.
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Ich mache mir schon mal ein Ausgangsschema für das weitere Nachdenken. (So empfehle ich es seit langer Zeit jungen Leuten: Erst einmal selbst nachdenken, selbst einen Standpunkt erarbeiten, dann erst lesen. Sonst liest man und läßt sich von jedem halbwegs plausiblen Argument in eine andere Ecke treiben.)



Natürlich werden in den Experten-Ansätzen jede Menge Fakten vorkommen. Aber ich frage mich jetzt schon, ob das da nicht das Zentrum umreißt: Es geht im Moment um Verteilungskämpfe, und in einer eingespielten Demokratie wissen die Interessengruppen, wie sie agieren müssen, um ihre Interessen zu wahren. Das paralysiert das System grundsätzlich. Wir müssen also die Interessengruppen bitten, ihre Vorschläge zu machen: a) Wo soll wieviel eingespart werden? b) Wo sollen zusätzliche Einahmen herkommen? Und dann c) vergleichen wir mal. Gibt es überhaupt eine irgendwie "mittlere Linie", die die allgemeinen Kompromisse noch wiedergibt?** Alles allgemein Reden nützt erst mal nichts.

Mal sehen, was nach der Lektüre der Experten-Auffassungen da dazukommt...

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* Von letzterem konnte man ja in letzter Zeit immer mal wieder lesen, daß es da einen Experten gibt, der fragt: "Was müßten wir in welcher Menge in die Atsmsphäre verbringen, damit der Treibhauseffekt zurückgeht?" Sogleich Aufschrei anderer Experten, ob der Hybris und der unkalkulierbaren Risiken. Erinnert stark an die Diskussionen im Bereich der Nationlalökonomie und der Weltwirtschaft.

** Nachtrag, alles aus dem Gedächtnis und darum möglicherweise fehlerhaft: Ist es angemessen, wenn der Vorstandvorsitzende der -- ich glaube -- TELEKOM von einem Jahr aufs andere 9 % mehr Gehalt bekommt, während der Aktienkurs des Unternehmens 17 % niedriger notiert als im Vorjahr? Wo liegen überhaupt unter dem Aspekt der "guten Sitten" die Beziehungen zwischen Angestelltengehältern und Vorstandsbezügen? Sage keiner zu leicht und gleich wieder: Internationale Gepflogenheiten und vor allem -- die USA! Wie manche Eltern zu ihren Kindern sagen: "Was die anderen machen, interessiert uns nicht!" Was ja wohl heißen soll: Wir brauchen und haben eigene Maßstäbe und Normen. Und: Wir führen ja auch nicht das amerikanische Waffenrecht ein, nur weil es in den USA so Sitte ist, daß man unter Vorlage des Führerscheins einen scharfen 9-Millimeter-Revolver plus jede Menge Munition im Laden um die Ecke kaufen kann. Na gut, der Vergleich hinkt vielleicht ein wenig. Aber gehen tut er schon noch! Und wir wissen, was gemeint ist. Außerdem: So leicht würden die deutschen Essers und die Schweizer Ackermanns ja auch nicht in die höchsten Sphären der US-Manager-Elite aufgenommen, daß sie gleich scharenweise abwandern. Und gesetzt daß doch, dann würde die vorhandene zweite Garde die Sache wahrscheinlich nicht schlechter machen als die jetzige erste. Denn es ist ein Mythos, daß der Höchstbezahlte der Beste ist. Vielmehr gilt: Der Höchstbezahlte hat die pekuniären und die nicht-pekuniären Mittel, sich die Aura des Besten zu verschaffen. (Welcher US-Manager hat ein Buch geschrieben, in dem es sinngemäß heißt: In meinem Unternehmen sind 15 Leute, die meinen Job genauso gut wie ich oder sogar besser machen würden als ich. Was ist der Unterschied zwischen ihnen und mir? Nun denn, fortune, kismet. Ich hatte einfach mehr Glück als sie!)