Theodor, 28, an einen Freund:
Wie du weißt, habe ich während des Studiums immer einmal davon gesprochen, daß ich Schriftsteller werden wollte. Nun erkenne ich, daß ich für diese Profession nicht die mindeste Eignung mitbringe. Wie ich zu dieser Erkenntnis gekommen bin? Nun, indem ich einen anderen Menschen aus relativer Nähe dabei beobachtet habe, der Schriftsteller geworden ist. Jemanden, den wir einmal James nennen wollen. James, nur wenig älter als ich, hat mir, seinerzeit, als wir ncoh gemeinsam in T. lebten, seinen ersten Roman gegeben, den er zu veröffentlichen gedachte. Zur Kritik und zum gemeinsamen Abstimmen wohl. Von zukünftigem Schriftsteller zu zukünftigem Schriftsteller.
Ich habe den Roman ernst genommen und kritisch gelesen. Neben so manchem handwerklich-sprachlichen Fehler habe ich in unserer Besprechung kritisiert: Daß er, James, sich über seine Gestalten stelle wie ein überheblicher Gott. Ironisch, besserwisserisch, von oben herab eben. (Selbstverständlich habe ich das weniger aggressiv formuliert.) Ich hingegen war der Meinung, man müsse sich solidarisch machen mit den Gestalten des eigenen Erzählens. Natürlich bliebe einem gar nichts anderes übrig als zu beobachten und zu beschreiben. Aus dieser Lage könne man nie heraus. Aber dann doch -- wie Döblin mit seinem Franz Biberkopf. So müsse es sein. Natürlich werde im 'Alexanderplatz' gezeigt, was für ein beschränkter Mensch das sei, dieser Biberkopf. Aber es werde immer solidarisch mitgelitten. In seinem, James' Roman aber stünde der Erzähler immer hochmütig über den Gestalten.
James hat mir diese Kritik und auch die handwerklichen Vorhaltungen, soweit er beide überhaupt irgendwie ernst genommen hat, wahrscheinlich nie verziehen. Wenig später ist James' Roman unverändert, so wie ich ihn gelesen hatte, erschienen. Wie hatte es James angestellt, einen Verlag zu finden? Nun, er hat einen kleinen, sehr lobenden Artikel über einen etablierten Schriftsteller geschrieben, hat diesen Artikel an den Schrifsteller geschickt, der sich artig bedankte. Worauf James zurückschrieb, er, James, sei ja auch ein Schreibender, und ob er, der Schriftsteller, nicht vielleicht zufällig einen Verleger kenne, der ... So wurde von dem etablierten Schriftsteller der Kontakt zum Verleger XY hergestellt. Und seitdem erscheinen die Romane des damaligen zukünftigen Schriftstellers beim Verlag XY. Oft ausgezeichnet und mit allerlei Preisen versehen. An der hochmütigen Erhebung hat sich entweder niemand gestört oder sie wurde sogar als zeitgemäß und korrekt empfunden. Wer weiß.
Ich habe jedenfalls erkannt, daß ich für die Gebräuche der Schriftstellerzunft kein Talent habe. Wahrscheinlich verachte ich, auch wenn ich gerne und wie gezwungen schreibe und Geschichten ersinne, die ganze Veröffentlichungsbewegung und ihre kulissenhaft-allzumenschlichen Rituale doch sehr. Vielleicht ist es auch nur der Neid, daß ich nicht dazugehöre, der mich die Rituale verachten läßt. Wer weiß. Wie auch immer -- meine Haltung enthält natürlich keine Voraussetzungen, um Schriftsteller zu werden und in der Bewegung der Schriftsteller und Verlage anerkannt zu werden. Um mitzuschwimmen in der Kultur der eigenen Zeit. Ich gehöre einfach nicht dazu. Auch wenn es schmerzlich war, ich habe es rechtzeitig erkannt.
Wie du weißt, habe ich während des Studiums immer einmal davon gesprochen, daß ich Schriftsteller werden wollte. Nun erkenne ich, daß ich für diese Profession nicht die mindeste Eignung mitbringe. Wie ich zu dieser Erkenntnis gekommen bin? Nun, indem ich einen anderen Menschen aus relativer Nähe dabei beobachtet habe, der Schriftsteller geworden ist. Jemanden, den wir einmal James nennen wollen. James, nur wenig älter als ich, hat mir, seinerzeit, als wir ncoh gemeinsam in T. lebten, seinen ersten Roman gegeben, den er zu veröffentlichen gedachte. Zur Kritik und zum gemeinsamen Abstimmen wohl. Von zukünftigem Schriftsteller zu zukünftigem Schriftsteller.
Ich habe den Roman ernst genommen und kritisch gelesen. Neben so manchem handwerklich-sprachlichen Fehler habe ich in unserer Besprechung kritisiert: Daß er, James, sich über seine Gestalten stelle wie ein überheblicher Gott. Ironisch, besserwisserisch, von oben herab eben. (Selbstverständlich habe ich das weniger aggressiv formuliert.) Ich hingegen war der Meinung, man müsse sich solidarisch machen mit den Gestalten des eigenen Erzählens. Natürlich bliebe einem gar nichts anderes übrig als zu beobachten und zu beschreiben. Aus dieser Lage könne man nie heraus. Aber dann doch -- wie Döblin mit seinem Franz Biberkopf. So müsse es sein. Natürlich werde im 'Alexanderplatz' gezeigt, was für ein beschränkter Mensch das sei, dieser Biberkopf. Aber es werde immer solidarisch mitgelitten. In seinem, James' Roman aber stünde der Erzähler immer hochmütig über den Gestalten.
James hat mir diese Kritik und auch die handwerklichen Vorhaltungen, soweit er beide überhaupt irgendwie ernst genommen hat, wahrscheinlich nie verziehen. Wenig später ist James' Roman unverändert, so wie ich ihn gelesen hatte, erschienen. Wie hatte es James angestellt, einen Verlag zu finden? Nun, er hat einen kleinen, sehr lobenden Artikel über einen etablierten Schriftsteller geschrieben, hat diesen Artikel an den Schrifsteller geschickt, der sich artig bedankte. Worauf James zurückschrieb, er, James, sei ja auch ein Schreibender, und ob er, der Schriftsteller, nicht vielleicht zufällig einen Verleger kenne, der ... So wurde von dem etablierten Schriftsteller der Kontakt zum Verleger XY hergestellt. Und seitdem erscheinen die Romane des damaligen zukünftigen Schriftstellers beim Verlag XY. Oft ausgezeichnet und mit allerlei Preisen versehen. An der hochmütigen Erhebung hat sich entweder niemand gestört oder sie wurde sogar als zeitgemäß und korrekt empfunden. Wer weiß.
Ich habe jedenfalls erkannt, daß ich für die Gebräuche der Schriftstellerzunft kein Talent habe. Wahrscheinlich verachte ich, auch wenn ich gerne und wie gezwungen schreibe und Geschichten ersinne, die ganze Veröffentlichungsbewegung und ihre kulissenhaft-allzumenschlichen Rituale doch sehr. Vielleicht ist es auch nur der Neid, daß ich nicht dazugehöre, der mich die Rituale verachten läßt. Wer weiß. Wie auch immer -- meine Haltung enthält natürlich keine Voraussetzungen, um Schriftsteller zu werden und in der Bewegung der Schriftsteller und Verlage anerkannt zu werden. Um mitzuschwimmen in der Kultur der eigenen Zeit. Ich gehöre einfach nicht dazu. Auch wenn es schmerzlich war, ich habe es rechtzeitig erkannt.