Manchmal bekenne ich mich nach ein paar Sätzen schon zur Verehrung für einen Text. Und im gewissen Sinn auch für den Autor des Texts. Jetzt haben ich wieder so einen Fall vor mir. Jan Fleischhauer, den habe ich, weiß der Herr warum, immer für einen SPIEGEL-Jungspund und seine Kolumnen habe ich für Jungspund-Kolumnen gehalten. Seit gestern weiß ich, der Mann ist 55. Am Samstag habe ich im Seinen Auszug aus einem Buch von Fleischhauer gelesen. Ich wusste sofort: Wer so über etwas ganz und gar Persönliches schreiben kann, so balancierend auf des Messers Schneide, links die Rührseligkeit und rechts die Peinlichkeit, der ist ein Großer seines Fachs. Vielleicht sogar ein großer Schriftsteller.
"Ich habe mich im Sommer vor sechs Jahren von meiner Frau getrennt. Na ja, das stimmt nicht ganz. Meine Frau hat sich von mir getrennt, was die Sache für mich nicht einfacher machte. Es war eine schockierende Erfahrung, die ich nicht meinem ärgsten Feind wünsche. Noch heute schrecke ich manchmal nachts mit dem Gedanken auf, dass alles wieder von vorn beginnt. | Ich habe meine Frau sehr geliebt, ein Teil von mir liebt sie vermutlich noch immer. Ich dachte, wir würden bis zum Ende zusammenbleiben, trotz aller Schwierigkeiten, die unsere Ehe mit sich brachte. Heute leben wir in zwei Städten: ich in München, sie in Frankfurt, beide gleich weit von unserer ehemaligen Berliner Wohnung entfernt, die jetzt einer netten älteren Dame gehört, von der ich nicht mehr weiß, als dass ihr Onkel Vicco von Bülow war, den die meisten Menschen unter seinem Künstlernamen Loriot kennen. Für viele Menschen ist eine Scheidung die größte Katastrophe in ihrem Leben, sie wissen es wie ich am Anfang nur noch nicht. Kein anderes Ereignis hat, wenn es einen schließlich ereilt, solch verheerende Auswirkungen, von schweren Unfällen und Krankheiten einmal abgesehen. Alles, worauf sich das gewohnte Leben gründete, wird mit einem Schlag infrage gestellt. Verloren ist die gesellschaftliche und emotionale Sicherheit, die eine Ehe mit sich bringt, selbst wenn sie unglücklich verläuft. Vieles, was bis dahin selbstverständlich erschien, muss neu erlernt werden. Finanziell droht der Ruin."
Fleischhauers Buch erscheint morgen. Ich habe es mir als E-Book vorbestellt. Was ich mir erhoffe? Vor allem: Dass ich mehr über die Frau erfahre, die diesen Satz gesagt hat: "Alles ist besser als noch ein Tag mit dir." Natürlich wird alles durch die Perspektive des Mannes gebrochen sein. Aber er wird sich bemühen, seiner Ex-Frau gerecht zu werden. Das immerhin. Ab morgen also lese ich das Ganze.