Lebte Kant heute (1964 - ?) , er würde die Vernunft -- als Begriff und praktische Wirkung -- immer noch im Dunkeln liegend vorfinden. Er wüsste gegen seinen Vorfahren Immanuel (1724 - 1804), dass die Vernunft immer in den Tiefen von Überzeugungen und Emotionen wurzelt und nicht die geringste Chance hat, sich von diesen irrationalen, irr-rationalen Wurzeln zu lösen. Nachaufklärer, der er somit wäre, würde er sich von der Kritik von Vernunft und Urteilskraft ab und der Kritik der Tüchtigkeit zuwenden. Anregend fände er in diesem Zusammenhang vieles, zum Beispiel den "Hochschulanzeiger" der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, November 2007. Unterzeile des Titels in Kapitälchen: "KARRIERE STUDIEREN"*.
Leicht würde dem neuen Herrn Kant auffallen, dass die Hochschulanzeiger-Titelzeile "Jahrmarkt der Talente" eine intertextuelle Verbindung hat. Zum "Jahrmarkt der Eitelkeiten", natürlich. Er würde lächeln, der neue Herr Kant. Ihm wäre sofort klar, dass diese Verbindung kein Zufall ist. Dann würde ihm die unerträgliche Leichtigkeit des halbgar schlechten Gewissens der Journalisten ins Auge stechen: "Was Jobmessen wirklich bringen". Jobmessen? Job? Dieses Wort aus hingehauchter Flüchtigkeit und ironisch versuchtem modernen Unernst. "Ich mach halt meinen Job." Nirgendwo Beruf und Berufung. Ernst, Zukunft und Vergangenheit, Lebensfragen unf -aufgaben. Sondern Geld, Prestige, Porsche wenn möglich. Basta. Der Aufruf anbei: "Schließt alle aus, mobbt alle, die da nicht mitmachen wollen!" Alles ein dümmliches Spiel, dessen Dümmlichkeit nicht zu transzendieren ist. Prinzpiell nicht! Die stillschweigende Anerkennung des Larifari per Common-sense der jungen Tüchtigen wird vorausgesetzt.
Dann würde unser Post-Aufklärer im Blattinneren (auf der Seite 24f.) entdecken: "Was ziehe ich an? Die optimalen Messeklamotten." (Bildliche Antwort: s. oben) Fortsetzung des auf dem Titel eingeschlagenen Kurses also. Klamotten trägt der junge Tüchtige auf der Messe. Selbst auf der Messe dieses sich hinziehende Gewissen, das mit dem so überaus modernen Unernst verschliert ist. (Wie Joschka Fischer, der Altrebell, zu sagen pflegte: "Der Anzug, das ist halt meine Arbeitskleidung." So geschickt formuliert, dass zwischen Blaumann, Jeans und Dreiteiler mit Nadelstreifen kaum ein Millimeter Unterschied mehr war. Der Immer-noch-Rebell im Tarnanzug, so fühlte er sich wohl [sic], unser Herr Ex-Außenminister.) Klamotten nicht Kleidung also auf der Messe.
Und was dann abgebildet wird, bringt den neuen Herrn K. dazu, sich halb abzuwenden, um dann doch wieder hinzuschauen. Zwanghaft. Diese beiden sollen es sein, die die Zukunft erringen? Kein Bücherwurm und keine Denkerin. Diese kokette Haltung bei beiden, die die Lässigkeit als geschäftliche Tugend im Spielbein trägt.
Dann würde sich Herr K. hinsetzen, sich das Pseudonym Martin Henkel ausdenken, weil er zu anschließenden Diskussionen mit der FAZ und den Tüchtigen im Land überhaupt keine Lust hat. Hinter dem Pseudonym wird er sich konsequent verstecken. Und unter diesem Pseudonym wird er in einer wüsten 120-Seiten-Polemik den Begriff 'Karriere' und die Tüchtigkeit der Karrieremacher niederbügeln. So gekonnt und umfassend, dass anschließend eine Zeit anbricht, die eine Mischung aus Barock und Romantik ist. Und in dieser neuen Zeit, siehe da, würden alle Abiturienten wissen, was es heißt und welche Konsequenzen es für das Berufsverständnis hat, dass sie nun in einer modernen Zeit leben, die eine Mischungaus Barock und Romantik ist.
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* Bedeutung höchst unklar. "Studieren und dann Karriere machen"? "Studieren, wie man Karriere macht"? "Die Karriere von Karrieristen studieren und sich dann angeekelt abwenden"? 'Recht anregend, dieses Schillernde!' denkt der neue Kant.
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