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Altkanzler Schröder will Heimat generöses Geschenk machen – und zieht Zorn auf sich
21.12.2018 | Von FOCUS-Online-Redakteurin Henriette
Eigentlich sollte das von Starkünstler Markus Lüpertz gestaltete Glasfenster schon am Reformationstag dieses Jahres die Marktkirche in Hannover ein neues Licht tauchen. Alt-Kanzler Gerhard Schröder will das 13 Meter hohe Werk des berühmten Malers seiner Heimatstadt Hannover schenken.
Lüpertz, der mit Schröder befreundet ist, gilt als einer der wichtigsten deutschen Künstler der Gegenwart. Die Kosten sollen rund 150.000 Euro betragen. Nach Kirchenangaben will der Alt-Kanzler Vertragshonorare, die er von Verbänden und Unternehmen bekam, zur Finanzierung des Fensters verwenden.
Einzelne Gemeindemitglieder kritisieren die Gestaltung des Fensters
Doch das Projekt liegt vorerst auf Eis. Das hat gleich mehrere Gründe: Kritisiert wird zum einen die Gestaltung des Fensters. Auf dem Entwurf des Fensters ist unter anderem ein segnender Luther zu sehen. Für Aufregung sorgen jedoch vielmehr fünf dicke Fleischfliegen, die in dem Fenster sehr präsent sind. Der Künstler selbst begründet die Fliegen mit Luthers Tintenfass-Wurf. So habe Luther damit einst nach einer Fliege geworfen, in der er den Teufel erkannt habe.
[Hannover]
dpa/Ina FassbenderGerhard Schröder und Markus Lüpertz sind miteinander befreundet.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)“ berichtet unterdessen von einer öffentlichen Aussprache der Gemeinde mit dem Künstler. Demnach unterstellte ein Besucher dort, Lüpertz vergleiche Luther mit einer Schmeißfliege. Ein anderer interpretierte, die Fliegen stünden symbolisch für die fünf Ehefrauen des Alt-Kanzlers. Theologen stellen die Tintenfass-Geschichte dem Bericht zufolge sogar gänzlich in Frage.
Künstler musste sich keinem Gestaltungswettbewerb stellen
Der Stifter selbst weist die Kritik an den Fliegen zurück. „Wenn man das zum Kriterium macht, stirbt Kunst“, zitiert die „FAZ“ den früheren Bundeskanzler. Doch die Kritik geht tiefer: Zum anderen wird nämlich konstatiert, dass sich Künstler Lüpertz – anders als häufig üblich – keinem Gestaltungswettbewerb für das Fenster habe stellen müssen. Die Pastorin der Marktkirche, Hanna Kreisel-Liebermann, weist diese Kritik im Gespräch mit FOCUS Online zurück: „Es gibt verschiedene Wege, moderne Kunst in Kirchen zu bringen“, sagt sie. Ein Gestaltungswettbewerb sei eine Möglichkeit. Es gebe aber viele Kirchen, die sich – wie in diesem Fall – gezielt für einen Künstler entscheiden.
[Hannover]
--/Marktkirchengemeinde HannoverDer Entwurf des Reformationsfensters von dem Künstler Markus Lüpertz für die Marktkirche in Hannover
Sie selbst sei, was die Debatte um das Fenster betrifft, „gelassen und zuversichtlich“, so die Marktkirchenpastorin. Es gebe kaum einen Fall, bei dem von zeitgenössischen Künstlern gestaltete Kirchenfenster nicht für erhitzte Gemüter sorgten.
Vor elf Jahren hatte ein von Gerhard Richter gestaltetes Fenster für Wirbel gesorgt – der damalige Erzbischof Joachim Meisner kritisierte den Entwurf von dem heute gefragtesten lebenden deutschen Künstler für den Kölner Dom als zu abstrakt und meinte, das Geschenk passe eher in eine Moschee. Heute ist das Richter-Fenster eine Besucherattraktion.
Stiefsohn des Architekten wehrt sich gegen das Fenster
Was die Marktkirche betrifft, regt sich nun allerdings auch noch Kritik in Tokio. Der Erbe des Kirchenarchitekten, der in Tokio lebt, wehrt sich gegen den Einbau des Fensters. In einem Gespräch haben Kirchenvertreter Georg Bissen, den Stiefsohn von Architekt Dieter Oesterlen, nicht von dem neuen Fenster überzeugen können. Architekt Dieter Oesterlen hat Hannover maßgeblich geprägt; er entwarf den Landtag und das Historische Museum. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Oesterlen auch den Wiederaufbau der Marktkirche in seine Hand. Heute hält Stiefsohn Bissen die Urheberrechte an der baulichen Gestaltung der Kirche.
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