Donnerstag, 20. September 2007

Wortanatomie: der Schnösel

Wir suchen ein Nachmieter für ein Haus. Da kommen unterschiedliche Menschen, um "das Objekt" zu besichtigen. Einer davon war ein junger Manager. Er ging herum. Sein Blick zwischen kühl und kalt. Wenige Worte. Ist mit so einem Menschen ein normales Gespräch möglich.?
Ich will es jetzt mal wissen. Als ich frage, was er denn beruflich so macht -- eine Frage, die man wohl stellen darf, wenn jemand ein Haus mieten will --, da erfahre ich, dass er von Frankfurt zur Niederlassung der durchaus weltbekannten Firma NN im Münchener Süden wechselt. Nun gut. Es geht gelingt mir sogar, den recht jungen und sicherlich in seinem Metier erfolgreichen Mann ansatzweise in ein Gespräch zu verwickeln. Über die doch sehr hohen Mieten in München. Zwei Sätze, dann Stopp. Ein paar Informationen über das Haus, ja, die solle ich ihm doch noch per Mail schicken. Dann ist er weg. Ich schicke die Informationen. Mit der Bitte um eine kurze Antwort.
Weshalb das Treffen mit dem jungen Mann dennoch für mich von Nutzen war? Weil es mich dazu gebracht hat, wieder einmal über ein altes, selten nur noch verwendetes, aber vielleicht doch gebrauchtes, heißt: nach wie vor notwendiges Wort nachzudenken. Der Schnösel.
Was ist ein Schnösel?
Nun von der Wortnachbarschaft, der Kollokation her, ist der Schnösel jung. Mein junger Mann war, geschätzt, so knapp unter 40 und damit zum wirklich jungen Schnösel 20 Jahre zu alt. Aber es ist eben so, dass sich manche Männer nicht nur ihre Jugend, sondern auch ihre Schnöseligkeit über die normale Zeitspanne hinaus bewahren. Mein Beispielheld war so einer.
Sodann: Es heißt der Schnösel. Der Schnösel ist maskulin. Natürlich gibt es auch junge Frauen, die jung, extrem tüchtig und so unangenehm im Umgang sind, dass ich ihre Gesellschaft meide oder, wenn unvermeidlich, bei sich biedender Gelegenheit, fliehe. Aber, abgesehen davon, dass die Zahl der Frauen-Quasi-Schnösel geringer ist als die der Mann-Schnösel, das Wort wie das mit mit dem Wort Bezeichnete ist und bleibt im Kern maskulin.
Der erweiterte Kern des Wortes, der Begriff: Eine bestimmte Mischung aus tatsächlicher oder zu erwartender Tüchtigkeit im Sinne der Tüchtigen der Gesellschaft, emotionaler Unterversorgtheit und dem instinktiven Annehmen, dass die eigene Person den meisten anderen Menschen überlegen sei. An Wichtigkeit, Können und Einkommen. Das gehört zum Schnösel
*
Bleiben zwei Fragen: Was ist, wenn sich zwei oder mehr Schnösel privat begegnen? Sie halten den jeweils anderen für unangenehm und glauben, sie seien ganz anders als er. Diese Fähigkeit zur spontanen Ausbildung eines blinden Flecks hat natürlichi nicht nur der Schnösel, aber er hat sie sehr ausgeprägt.
Und: Was ist, wenn der Schnösel auf einen normalen Menschen trifft. (Ja, doch die normalen Menschen mit normalen, angenehmen Umgangsformen gibt es. Man findet sie übrigens oft unter Münchener Handwerkern.) Nun, dann ist der Schnösel dem normalen Menschen zum Davonlaufen, und der Schnösel findet, wie zu erwarten, den normalen Menschen einfach nicht wichtig genug. Nicht zu seiner Kaste, der Kaste der Wichtigen und Erfolgreichen, gehörig.
*
Ach so, ja. Die erbetene Antwort auf meine Mail habe ich von meinem Schnösel natürlich nicht bekommen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen