Mittwoch, 14. März 2007

Fassbinder: Eine analytische Beurteilung

Das ist ein Ausschnitt aus einer Anzeige in der heutigen Süddeutschen.

Bei dieser Gelegenheit doch einmal die Frage: Fassbinder -- ist er ein großer deutscher Regisseur? Für manche wird die Frage ungefähr den selben Sinn haben wie die, ob Goethe ein großer deutscher Dichter ist.

Von einer Warte aber, die nicht die Tradition des Antwortens als alleinigen Maßstab nimmt, muss man die Frage in zwei Fragen aufteilen:

a) Ist F. in den Augen der Meinungsträger und des Feuilletons und des dann angeschlossenen kunstsinnigen Publikums ein großer Regisseur? Antwort, trivial: Ja, natürlich.

b) Ist F., ohne die traditionellen Festschreibungen und Feuilletonstein gewordenen Sicherheiten besehen, ein großer Regisseur? Antwort: Nein. Hinzugefügt werden muss dann: Aber er hatte etwas, das nennen wir mal GLÜMA (Glück+Charisma), das ihn in den Augen der Filmwelt zu einen großen Regisseur werden ließ. Und die GLÜMA ist immer entscheidend. Ohne GLÜMA ist F. ein rauschgiftsüchtiger Hallodri, ewig pickeliger Pubertierender, ein moderat Durchgeknallter, der auch schon mal, weil noch betrunken, nicht am Set erschien, worauf die Crew alleine drehte, worauf er das Produkt des Tages am Ende absegnete und verwendete. So konnte man es jüngst lesen, in einem Bericht von Menschen, die dabei gewesen sind. F., dessen leibeigene Schauspieler des Beginns wie der Meister selbst notorisch laienhaft agierten, mit staksigem Gehen und hölzern gesprochen Dialogen, und die das Hölzerne dann GLÜMATISCH zu einem Markenzeichen ausbauten. F., der auch schon mal einen Film vollkommen unterbelichtet abgab, was ihm von der da schon festgelegten Kritik nicht gleich, aber wenig später als Stilwille nachgesehen wurde. GLÜMA also überall und aufs Ganze gesehen.

Wenn man die Beurteilungen von Künstlern kühl und analytisch sieht, sollte diese Differenzierung in zwei Sichtweisen das Muster abgeben.

Ein Schuh wird draus, wenn man die Gesellschaft als Individuum nimmt, das seine Borderline-Symptome in konkrete Personen, Zellen aus ihrem Körper, projiziert, um auf diese Weise halbwegs normal weiterleben zu können. So gesehen ist die Frage, ob F. ein großer Regisseur ist, noch einmal anders zu verstehen. Er wurde als eine Art OpferlammSündenbock eingesetzt und ist als solcher anerkannt von denen, die ihre Neurosen mit ihre guten und normalen Karriere vereinbaren wollen.

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