Mittwoch, 23. Januar 2008

Päda-go-go!

Nehmen wir mal an, Sie sind von Beruf -- nun ja: Psychologe mit Spezialsierung "Lehrerpsyche". Oder so ähnlich. Und sie haben heute eine Lehrerfortbildungsveranstaltung hinter sich. Als Clou ist Ihnen für diese Veranstaltung Folgendes eingefallen: Sie haben gleich am Anfang die These aufgestellt, dass wir alle, also auch Lehrer, von Vourteilen gesteuert sind. Das haben Sie dann ausgetestet. In einem Quasi-Selbstversuch. Sie haben gesagt: "Also, stellen Sie sich einmal vor, ich wäre Lehrer. Für Deutsch und Englisch. Versetzen Sie sich für einen Moment in die Schülerrolle. Wie gut wäre ich wohl als Lehrer? Benotet mit einer Schulnote. Wenn Sie wollem mit Plus oder Minus."

An Selbstbewusstsein mangelt es Ihnen nicht. Sich selbst würden Sie, von wegen Bescheidenheit, keine glatte 1 geben. Sondern eine 1-. Wegen Ihrer angeborenen Bescheidenheit.

Dann in der ersten Pause blättern Sie die Zettel durch, die Sie eingesammelt haben. 3, 4, 3-, 2-, 4, 4, 3+, ... Einer hat dazugeschrieben, ein Mann, da sind Sie sicher, wahrscheinlich der aus der zweiten Reihe links am Gang: "Übrigens: Ich bin eine Lehrerin!" Eine andere, ziemlich sicher eine Frau, hat einen dicken Strich gemacht und angemerkt: "Diese Frage ist ohne Kenntnis der Schulsituation unsinnig!"

Und was ist da mit Ihren Vourteilen?

Sie schauen in das Publikum vor sich. Diese allzeit zur Kritik bereiten Gesichter. Was wird uns von dem wohl geboten? Die gute alte 'Erziehung zur Kritikfähigkeit', hier ist sie an ihr zum Selbstzweck gewordenes Ziel gelangt. In den Köpfen, die Sie vor sich sehen ist eine stumpfe Kritikfähigkeit am Werkeln. Beständing lauernd. So wenig Denkfähigkeit war nie...

Die Lehrer? Ja, klar, die sind immer noch da. Und Ihre eigenen Vorurteile? Auch. Und sie sind jetzt verstärkt, Ihre Vorurteile. Lehrer sind, erstens, Besserwisser, zweitens unkreativ, was, drittens, das Prädikat denkfaul nach sich zieht. Kein Wunder. Immer sind Lehrer mit per definitionem Unterlegenen konfrontiert, denen sie die Welt erklären dürfen. Immer in der überlegenen Position. Wissenschaft auf Sparflamme. Bis zum 65. Lebensjahr vor sich hinköchelnd. Und viertens? Noch einmal: Besserwisser. Für den Lehrer gibt es das Faktum und die Sicherheit des Faktischen, wo es für vernünftige Menschen erst einmal die Besinnung, das Nachdenken, das Überlegen und die Unsicherheit des Nachdenkens gibt.

Dann sagen Sie sich, dass Jürgen von der Lippe, selbst wohl als Lehrer ausgebildet, zwar vielen Schmarrn gemacht, aber eben auch ein paar Perlen aus der Schale geholt hat. Beispielsweise jenes Lied "Päda-go-go!"

"Wer bringt sich ein, wer macht nie zu,
wer sieht im Ich auch stets das Du?
Wer ist politisch und als Mensch ein Gewinn?
Der Lehrer und die Lehrerin!"

Ach ja! Wie ist Ihre Fortbildungsveranstaltung eigentlich gelaufen?

Dacht ich's mir doch. Beschissen. Ein Haufen besserwissererischer, motzender Pädaogen war am Nachmittag vor Ihnen. Im Ton und in der leerlaufenden Kritikfähigkeit schlimmer als jede von der Leine gelassene Mittelstufenklasse.

Na gut, es ist Abend, und Sie haben es hinter sich. In Zukunft werden Sie dieser Klientel einfach aus dem Weg gehen. Ein Psychologe hat so viele Zielgruppen wie er will.

Und leicht schaudernd erkennen Sie jetzt nach dem zweiten Bier: In allen Zielgruppen ist was von den Lehrern! Und Sie sagen sich: Kein Wunder. Es kann gar nicht anders sein. Schließlich sind alle Menschen in diesem Land mal zur Schule gegangen.

Schu-hu-ule! Schub-schubi-du!

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