Samstag, 2. Februar 2008

Bernd Eichinger, Lothar Mathäus und ich

Der politische Roman von heute könnte -- müsste als Ich-Erzählung und dann so beginnen:
"Wenn man wissen will, wie das Gehirn eines Schrifstellers tickt, ist die folgende Begebenheit recht lehrreich.
Nun denn, ich schlafe, wie so mancher ernsthafte Schriftsteller, schlecht. Nicht immer, aber oft. Unter dieser Schlaflosigkeit kann man leiden oder einfach, wenn es wieder soweit ist, kurz nach 4 am Morgen aufstehen. Wenn dann der Zeitungsbote schon die Süddeutsche in den Postkasten gesteckt hat, ist man als Schrifsteller und Mensch dankbar und macht sich einen wie üblich sehr starken Kaffee. Dann beginnt man in seinem zerschlissenen Ledersessel die Zeitungslektüre. Das Streiflicht wie meist, nein: fast immer eigentlich, zuerst. Wie Karnevalsmuffel leben und überleben. Nun, der Schriftsteller hat sich schon mal mehr über ein Streiflicht amüsiert. Aber, Gott -- gut ist die Rubrik allemal.
Aber dann -- prasselnde Nachrichten und Berichte am Morgen: Die Politik. Afghanistan und die Forderungen von Gates, nicht Bill, sondern US-Verteidigungminister, dass die Deutschen mal wieder schießen könnten. Nach Jahren historisch bedingter Zurückhaltung. (Schießen verlernt ein Volk doch ebensowenig wie der Einzelmensch das Fahrradfahren' , schwingt da still mit. Ontogenetisch besehen, sozusagen.) Das leichtere Fach: Britney Spears als Ballett-Vorbild. Nun gut. Mike Paterson und Uri Zwick, Informatiker ihres Zeichens, berechnen die Überhangmöglichkeit von Stapeln. Dann natürlich: Microsoft kauft Yahoo und tritt gegen Google an. Will kaufen, um genau zu sein. Was daraus wohl wird?
Die Suche nach Paterson und Zwick bei den beiden Diensten geht jedenfalls -- heute morgen -- eindeutig zugunsten von Google aus. (ungefähr 1.820 für Mike Paterson Uri Zwick. (0,18 Sekunden, sagt Google, während Yahoo vermeldet: Wir konnten keine Ergebnisse zu Mike Paterson Uri Zwick finden. Kann man mit den dynamischen Links [1] und [2] ausprobieren. Das Ergebnis kann sich natürlich ändern, mit der Zeit und mit Microsoft im Rücken.)
Aber dann, die Meldung des Morgens! "Die Gesichter des Baader Meinhof Komplexes. Ein erster Blick auf die Besetzung von Bernd Eichingers Kino-Adaption der RAF-Geschichte." Schon die Bilder lassen den Schriftsteller erschaudern! Die RAF-Gesichter und ihre Schauspieler-Doubles. Immer pärchenweise.
Und dann das dazu. O-Ton Eichinger: "Man kann ja alles mögliche sagen. [...] Ich meine das ohne jede moralische Wertung - aber charismatisch waren diese Leute schon."
Schriftsteller werden immer wieder einmal in der Volkshochschule gefragt, woher sie ihre Phantasie nehmen. Die Schriftsteller sind dann immer etwas hilflos. 'Die Phantasie ist doch das Normalste von der Welt!' denken sie still. 'Woher soll die schon kommen? Sie ist einfach da. Nimm eine Meldung aus der Zeitung und mache sie konkret. Was gibt es Leichteres?' (Dass das Konkrete dann stimmig bleibt, das zu schaffen ist nicht einfach; aber einfach erst mal eine Zeitungsmeldung zu konkretisieren, sodass da sofort eine Geschichte daraus wird, das ist doch nicht schwer.)
Nun also, ich habe ja noch was gelesen, vorhin. " Lothar Matthäus, 46, Ex-Fußballprofi, hat sich von seiner Freundin Liliana, 20, getrennt. 'Wir sind nicht mehr zusammen', sagte er zu BILD. 'In aller Freundschaft", habe man die Beziehung beendet, erklärt er. Als Grund gaben L&L an, sie hätten zu wenig Zeit füreinander, die Trennung sei also "eine Vernunftentscheidung". Matthäus, der ab Sommer wieder als Trainer arbeiten will, hatte das Model im letzten Jahr auf dem Münchner Oktoberfest kennengelernt. Ja, da schau her! Von seiner dritten Ehefrau Marijana, 36, lebt er getrennt." (Bei Focus gibt es Infos aus der Sicht des Mädchens L., mit Bild.)
Nun stelle ich mir auf einmal vor, ich hätte Lothar Mathäus als Pressesprecher. Was für eine grandiose Vorstellung! Aber doch nicht schwer herzustellen, oder? Wie alle Pressesprecher hat er an internen Diskussionen meiner multplen Ichs teilgenommen und muss nun die Erkenntnisse dieses Gremiums, meine Ansicht also, für die Presse in eigenen Worten wiedergeben.
Herr Mathäus würde also sagen: "Ja -- Herr D. ist der Meinung, glaubt -- dass Herr Eichinger alles will --, was öffentlich in den Köpfen ist. Er ist auf Berühmtheit fixiert. Ob die Berühmtheit durch Leistungen oder durch Quatsch zustande gekommen ist, ist dem Bernd nicht so wichtig. Oder, nein. Der Quatsch ist dem Bernd lieber. Er ist ein Anhänger -- da hab ich mir eine Notiz gemacht. Ja, also -- der Bernd ist so ein Anhänger des Heros -- strates."
Der Vorteil ist, wenn mein Pressesprecher Lothar M. das sagt, dass da in BILD eine kurze Meldung auftaucht. Und -- ich habe ja nichts dagegen, dass BILD mich zitiert. Ohne Lothar würde ich das nie schaffen.
Ich fasse meine Ansicht aber zur Sicherheit doch besser noch einmal mit meinen eigenen Worten zusammen. Wir haben hier eine hochbedeutende Offenlegung des Begriffs Charisma, so wie ihn Eichinger und anverwandte Seelen, also die Medien-Erfolgreichen des Landes, verstehen.* Politisch verquere Schreihälse erreichen die Medien, nehmen die Medien für sich ein, steigern sich in was hinein, hier: den "bewaffneten Kampf". Die Medien-Brüder, die allesamt auch gerne mehr aufregende reality erleben würden, berichten weiter, immer weiter. Machen jede auch noch so depperte Steigerung mit. Wäre Schleyer, wären viele andere nicht noch am Leben, wenn Baader nicht auf einmal gesehen hätte, dass er, dümmlich-arrogant, ohne Ausbildung und nur sendungsbewusst, wie er nun mal war, doch noch einen Zipfel der bürgerlichen Berühmtheit erlangen kann? Mit rigid-dümmlicher Arroganz. Wenn die Zeitungen und das Fernsehen mal beschlossen hätten, dass man nicht allen sendungsewussten Dumpfbacken die Öffentlichkeit verschaffen muss, die sie so hemmungslos suchen, wie wäre das Ganze damals ausgegangen? (Wer diese Steigerung und das damalige Drama aus einem anderen Blickwinkel sehen will, kann das tun. Es gibt ja Kurt Oesterles Buch "Stammheim". Warum hat dieses Buch nur ein paar erstklassige Rezensionen nach sich gezogen und nicht den Blick auf die Zeit damals und auf Eichingers Darlings vollkommen verändert?!) Wie auch immer -- diese 'Charismatiker* waren nur deshalb keine selbsternannten Revolutionäre, weil die Medien ihnen seinerzeit so blitzschnell die publizistischen Ernennungsurkunde überreicht haben. Ja, manchmal glaube ich, dass selbst Aust so einer aus der Riege derer war -- und ist --, die die Realityshow zu sehr lieben und also den Schreiern der Firma BM Charisma zugestanden und also medial verschafft haben."
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* Wobei ja durchaus bemerkenswert ist, dass Bernd Eichinger rein äußerlich gesehen als ein still-introvertierter, mit leichten Artikulationsproblemen behafteter Berufsjugendlicher daherkommt. Dass er das geworden ist, was er heute ist, trotzdem, das zeigt schon Leistung. Vielleicht ja sogar CHARISMA.

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