Montag, 14. August 2017

ZEIT-Fragen: War Luther Antisemit?

Im direkten Anschluss an die vorausgehenden Anmerkungen im Forum der ZEIT. Zwei Diskussionsbeiträge in den Zitaten und meine Antworten.

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BDLB #8.12 — "Weiter oben gibt es einige differenzierte Posts zum Thema, z.B. Luther ..., etc. Vor lauter Eifer im Kampf gegen rechts haben Sie die vermutlich überlesen. Bleibt ja auch noch die Frage wer darüber bestimmen soll, ob der Hindenburgdamm in Straße der Willkommenskultur umbenannt wird."

Mein Wunsch vorab: Gemach! Und im Ton etwas weniger aufgeregt. Dann kommen wir leichter ins Gespräch.

"Kampf gegen rechts": Schon ziemlich witzig. Normalerweise werde ich als Rechter eingestuft. Dabei bin ich doch nur ein elfenbeintürmlerischer, über den Dingen schwebender Wissenschaftler, der ganz sachlich kapieren will, was abgeht in der gegenwärtigen Politik.

"Überlesen": Ja, das ist wohl so. Das liegt weniger am Kampf rechts, sondern mehr an der großen Menge des Geschriebenen hier. Ich bitte um Nachsicht. Hinweise aber jederzeit willkommen.

"Hindenburgdamm": Je nun, da gibt es ehrenwerte Argumente dagegen und dafür. Und in Münster -- was ich zufällig verfolgt habe, weil ich lange Jahr in Münster gelebt habe --, hat die Mehrheit der abstimmenden Bürger nach langer Diskussion beschlossen, aus dem guten alten Hindenburgplatz den Schlossplatz zu machen. Was inzwischen schon wieder einige Zeit her ist. Das halte ich für ein Ergebnis gelebter Demokratie.

Antwort auf #8.9 von melios 

BDLB #8.13 — "...aber aus meiner Sicht ist es ein gigantischer Unterschied, ob man einem Menschen auf Grund einer Weltanschauung attackiert, die er ablegen kann oder ob man ihnen auf Grund seiner Abstammung attackiert - und damit diesen Menschen die Möglichkeit verweigert etwas aus eigener Kraft zu ändern."

Kurz: Das, was Sie sagen, hat natürlich Konsequenzen, die bedacht sein wollen. Erst mal ist der Spruch alt und bekannt, aber immer noch bedenkenswert: "Alles verstehen heißt alles verzeihen." Dann: Wo bei, von heute aus gesehen, unbegreiflichen Einlassungen großer Denker soll man die exkulpierenden historischen Grenzen ziehen?

Um der Deutlichkeit willen übertrieben: a) Man kann auch Hitler in seinem kleinbürgerlichen Herkommen, seinen Künstlerambitionen, den erlittenen Demütigungen, dem subjektiven Gefühls der Verkanntheit, dem Versailler Vertrag, den Wirtschaftsproblemen der 1920er Jahre, der Politik und den Ansichten seiner Zeit, usw. so analysieren, dass keine persönliche Schuld, sondern nur noch Erklärung übrigbleibt. Ist das sinnvoll? b) Ich verurteile ja nicht Luther und Kant und andere für ihre von heute aus besehen schrägen bis verrückten Äußerungen in Sachen Juden und "Racen" und "Neger". Solche Leute mit ihren Äußerungen sind für mich einfach Exempel für die Wandelbarkeit des politisch-weltanschaulich Selbstverständlichen. Nicht mehr und nicht weniger. Da kann man allemal auch was für die Gegenwart und ihre Selbstverständlichkeiten lernen.

Antwort auf #8.7 von Zerberus.