Dienstag, 16. Dezember 2008

Nach dem sogenannten Ehrenmord

Die Meldung heute lautet so:

Hamburg (dpa/lno) - Rund sieben Monate nach dem sogenannten Ehrenmord an der 16 Jahre alten Deutsch-Afghanin Morsal aus Hamburg beginnt heute um 9.00 Uhr der Prozess gegen ihren Bruder. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 24-Jährigen vor, seine Schwester am 15. Mai aus Ärger über deren Lebenswandel mit 23 Messerstichen auf einem Parkplatz im Stadtteil St. Georg getötet zu haben. Er habe heimtückisch und aus niederen Beweggründen gehandelt, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft vor Beginn des Mord-Prozesses am Landgericht. Der Fall hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt und eine Diskussion um die Integration von Einwanderern ausgelöst.

Ich erinnere mich: Vor ein paar Jahren habe ich mit einer Studentin aus dem Nahen Osten ein Interview und eine Fragebogen-Aktion gemacht. Unter anderem sollte sie in einem Fragebogen auf einer Skala ankreuze, was sie "im Westen" -- sie lebte nicht in Deutschland -- besser oder schlechter als in ihrem Herkunftsland findet. Zu meiner Überraschung fand die junge Frau die Lage in Ihrem Herkunftsland in beinahe allen Punkten deutlich besser als "hier". Allerdings, sie drang am Ende darauf: Ich musste ihre Person so stark anonymisieren, dass ich weder ihr Herkunftsland noch irgend eine Angabe zu ihr bei der Veröffentlichung aufnehmen konnte. Dass diese Angst vor dem persönlichen Bekenntnis ein Teil einer extremen Unfreiheit war, konnte sie offenbar nicht erkennen.
Wenn man sehr, aber nicht über Gebühr vereinfacht, kommt man auf die schöne deutsche Redewendung: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass." Viele Immigranten in westlich geprägten Ländern möchten die gewohnten Verhältnisse ihrer Herkunftsländer im Westen erhalten, aber gleichzeitig die positiven Eigenschaften ihres neuen Landes in Anspruch nehmen. Dass in vielen, wenn auch nicht in allen Fällen beide Situationen unverträglich sind, können sie nicht begreifen. Es wäre an uns, die Art und den Umfang dieser Unvereinbarkeiten in Fallstudien klar zu machen. Unseren Neubürgern und auch uns selbst.
Ein Leben mit traditionellen afghanischen Ehrenvorstellungen -- die Brüder wachen über die "Sittsamkeit" der Schwester und sprechen, wenn notwendig, die Todesstrafe aus --, so etwas kann hier nicht gelebt werden. Nicht einmal im Ansatz, wenn also nicht gemordet wird. Eine 16jährige darf anziehen was sie will, und wenn sie mit einem jungen Mann schlafen will, ist das hierzulande kein Verbrechen. Wir müssen es klar machen.