Sonntag, 21. Dezember 2008

Was die Welt bewegt (Subjektiver Bericht)

Zeitunslektüre am Morgen des 4. Advent. Ich gewinne nach der Lektüre das Gefühl, dass es da eine geheime Botschaft gibt. Aber -- schweigen wir von was anderem. Drei Artikel nur, langsam gelesen. Wieder einmal das Gefühl, dass das Wesentliche seltsamerweise im Feuilleton der SZ abgehandelt wird. 

Aber zuerst doch der Wirtschaftsteil:
"Wer in den vergangenen Monaten mit führenden Managern des Konzerns [Hypo Real Estate] sprach, bekam den Eindruck, alle seien mit schuld an dem Beinahe-Kollaps gewesen - alle, nur nicht sie selbst. Abschreibungen? Schuld der Marktentwicklung. Beinahe-Kollaps? Wäre ohne Lehman-Insolvenz und sich verschärfender Finanzkrise so wohl nicht gekommen. Für jede Katastrophe gab es eine neue Erklärung. Seltsam: Ein Konzern steht am Abgrund, muss mit Milliarden gerettet werden - und keiner ist da, der sich verantwortlich fühlt."
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Thomas Fromm: Die Schuld der anderen. Bei der Hypo Real Estate beginnt die Suche nach den Verantwortlichen. SZ 20.12.2008, S. 23.

Dann: Jürgen Habermas entdeckt gegen Ende seines Lebens passenderweise die Religion und integriert sie in sein Ideengebäude. Zuerst aber mal: Wohl dem, der ein Mal nach München kommt und dann gleich drei Mal in der SZ erscheint:
1. Macht des Guten: Die großen Stifter In der internationalen Politik. 20.12.2008. Ausgabe: München - Politik
2. Trotz Weihnachten vor der Tür: Die himmlischen Heerscharen sind... 20.12.2008. Ausgabe: München - Feuilleton
3. Von Stephan Handel Erst stand der Jubilar auf, dann setzte er sich, dann... 20.12.2008. Ausgabe: München - München
Gelesen habe ich also ... 
"[...] Ein Programm, so scheint es, soll gefolgert werden aus einem Gedanken, den der Philosoph Jürgen Habermas seit einigen Jahren immer wieder formuliert: Der Verfassungsstaat soll zwar weiterhin religiös neutral bleiben; er soll sich aber nicht von möglichen Sinnpotenzialen der Religion abschneiden, sondern auch den religiös begründeten Argumentationen im demokratischen Prozess zuhören und dabei vielleicht etwas lernen. Dieses Etwas könnte, so Haber- mas, Ressourcen der Normativität auch für die weltliche Sphäre zur Verfügung stellen. Ja, diese Religions- "Übersetzung" könnte nach Meinung des Diskursethikers ein willkommenes Heilmittel sein gegen eine "entgleisende Modernisierung", womit Turbokapitalismus, verantwortungsloser Extremindividualismus und Ähnliches gemeint sind."
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Johan Schloemann: Aus Teufels Küche. Jürgen Habermas, die Staatsfrömmigkeit und ihre Gegner. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 296, Samstag, den 20. Dezember 2008, Seite 15
Damit beschäftige ich mich demnächst mal ein wenig ausführlicher. So was über's parodistische Knie zu brechen, verbietet sich.
Und schließlich ein Artikel über Island in der Finanzkrise:
"320 000 Menschen. Bis vor kurzem weltweiter Musterknabe. Vierthöchstes Prokopf-Einkommen, kaum Arbeitslose. Fruchtbar sind sie und kriegen vorbildlich früh ihre Kinder, selbst in der UniMensa stehen überall Tripptrapp-Stühle herum. Noch vier Wochen vor dem Kollaps kürte eine OECD-Studie Island zur "zukunftsfähigsten Region Europas," vor allem wegen seiner tollen Banken. Kurzum: Die Isländer galten gleichzeitig als die Tibeter und die Schweizer des Norden: friedfertig wackeres Völkchen, das nah am Urgrund des Seins lebt, rundum öko, mit der Natur auf du und du. Und dabei irgendwie steinreich. Perfekt floss all das zusammen in Olafur Eliassons glatt designter Wohlfühlkunst, die so hemmungslos mit den isländischen Klischees Wasser, Norden, Licht und Elfen spielt.
Jetzt waren sie plötzlich die Parias: Nach Haardes Rede bangten viele Europäer um ihre Ersparnisse, alleine 300 000 Briten hatten Einlagen bei der Landsbanki. Gordon Brown benutzte brutal die Antiterror- gesetzgebung, um alles Vermögen der isländischen Dependancen in England einzufrieren, die Landsbanki wurde auf eine Liste gesetzt, auf der Regimes oder Terrorgruppen aufgelistet werden, die von Großbritannien mit finanziellen Sanktionen belegt wurden: Al-Qaida, die Taliban, Iran, Nordkorea. . . Isländer mussten sich in Pariser Restaurants beschimpfen und in dänischen Geschäften verspotten lassen. Rentnern, die in London Geld wechseln wollten, wurde gesagt: "Wir bedienen keine Isländer." Der Sicherheitsdienst warf sie unter Applaus auf die Straße. Und das Symphonieorchester von Reykjavik, das gerade nach Japan fliegen wollte, bekam einen Brief aus Tokio, die Reise sei storniert, das Image der Isländer sei momentan so verheerend schlecht, dass keine Karten verkauft würden. Ein Journalist schrieb, er fühle sich, als hätte man ihn "morgens aus dem warmen Bett gezogen, in ein Fass gestopft und den Gullfoss hinuntergestürzt". Der Gullfoss, zu deutsch Goldfall, ist einer der größten Wasserfälle Islands."
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Axel Rühle: Im Eissturm "Gott schütze Island!" Die Finanzkrise bricht über die nordatlantische Insel herein wie eine Naturkatastrophe - nur dass Menschen sie verursacht haben. -- Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr. 296, Samstag, den 20. Dezember 2008, Seite 16.

Da halten wir doch gleich mal fest: 

Von Island 
geht eine neue Epoche 
der Weltgeschichte aus, 
und ihr könnt sagen, 
ihr seid dabei gewesen! 

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