Donnerstag, 3. April 2008

Narrenanstalt JURA

Es liest sich wie ein Bericht von einem Drama, das drei Insassen einer Narrenanstalt, geschrieben haben, was Christiane Kohl da in der Süddeutschen* berichtet. Dürfen wir von den Juristen-Vereinigungen verlangen, dass sie Forschungen auf den Weg bringen, ob Juristen besonders durch Durchgeknalltheit gefährdet sind?
Weiter-heiter gefragt: Ist es Zufall, dass das Stück in Sachsen spielt? Könnte es auch, sagen wir: in Hessen spielen? Lassen wir das dahingestellt. "Tollhaus" kommt im Titel des SZ-Artikels vor. Aber das ist ein metaphorisiertes Wort, das die Sache längst nicht mehr trifft.

Die Berichtssituation:

"[...] Am Küchentisch [..] sitzt zitternd eine hübsche junge Frau, während sie über jene Monate im Winter 1992/93 erzählt, als sie zusammen mit einer Handvoll anderer Mädchen in einem illegalen Bordell an der Merseburger Straße in Leipzig zur Prostitution gezwungen wurde: "Es war eine immer wiederkehrende Vergewaltigung", sagt sie."

Merseburger Zaubersprüche der neuen deutschen Art.

"Insgesamt mehr als 30 Ermittlungs- und Prüfverfahren hat die Staatsanwaltschaft schon eröffnet. Freilich ist auch sie nicht von Kritik verschont: Zeugen klagen über rüde Verhörmethoden, Anwälte werfen den Ermittlern vor, sie würden Willkür bei der Akteneinsicht walten lassen und manchen Beschuldigten großzügig Einblick gewähren, anderen hingegen weniger. 'Das ist', sagt ein sächsischer Jurist 'wie ein Stück aus dem Tollhaus.'"

Da ist es, das Tollhaus. Akten außerdem, das ist auch so ein Zauberwort. Waren da nicht nach der Regierungszeit von Helmut Kohl Akten einfach verschwunden? In welcher Bananenrepublik leben wir? Oder ist es soweit, dass dieser Vergleich unstatthaft ist und wir die Bananenproduzierenden Staaten um Verzeichung bitten müssen, wenn uns das Wort wieder mal herausrutscht?

"Auch Manuela ist in den letzten Wochen zweimal schon stundenlang von den Staatsanwälten vernommen worden, stets ging es um die Frage, wer der Freier namens Ingo gewesen sein könnte: ein städtischer Immobilien-Manager in Leipzig, ein ehemaliger Richter am Landgericht der Messestadt oder vielleicht doch nur ein unbekannter Geschäftsmann aus Hamburg?"

Was heißt hier 'nur'? Ist so was bei Hamburger Geschäftsleuten üblich und statthaft?

"'Die Kundschaft war zum Teil sehr zahlungskräftig', gab der Zuhälter Micha später zu Protokoll. Auch die Mädchen erinnerten sich im Polizeiverhör an 'Nadelstreifenhosen, Aktenkofferträger, Schlips- typen'. Der Zuhälter hatte vorgesorgt und einen Ordnungshüter in die Geschäfte mit einbezogen. Der führte dem Etablissement eine 15-jährige Ausreißerin zu, mit der er zuvor im Polizeigewahrsam intim geworden war. Raue Sitten, doch im Prozess, der im Januar 1994 stattfand, gab es milde Strafen: Der Polizist bekam eine Bewährungsstrafe, der Zuhälter erhielt vier Jahre, obwohl man ihm in einem Fall sogar Menschenhandel nachweisen konnte. Noch besser erging es den Freiern - sie wurden gar nicht erst ermittelt."

Tja. Stell dir vor es gibt milde Strafen. Und keiner schaut hin.

"'Hello, are you there?', haucht eine katzenhaft samtig klingende Frauenstimme in den Raum - es ist das Handy des Amtsgerichtspräsidenten, das sich meldet. Der Mann sitzt im eleganten Karojackett an seinem Schreibtisch hoch über der Innenstadt von Chemnitz, am Finger trägt er einen stattlichen Brillantring. Einst war er als Leipziger Staatsanwalt federführend für die Ermittlungen gegen die Immobilienhändler gewesen. Dass dabei, wie die Prüfer vom Innenministerium heute feststellen, etwas schiefgegangen sein könnte, weist er von sich. Selbstverständlich, sagt der Gerichtspräsident, habe er die Dinge auch 'nie in eine Richtung gelenkt'."

Selbstverständlich. Basta.

"'Damals habe ich auf einem der Fotos den Richter erkannt', sagt sie, daraufhin seien die Polizisten 'total erschrocken' gewesen. In den heute verfügbaren Akten aber findet sich davon keine Spur: Dem Vernehmungsprotokoll zufolge hatte Manuela vielmehr den LWB-Manager als 'Ingo' identifiziert."

Jaja, die Akten von den Nackten. (Unziemlicher und sinnloser Reim. Fällt einem halt so ein, wenn man sich durch so was hindurchliest.)

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Wir können auch noch die Berichte über den Ex-Richter Gnadenlos Ronald Schill dazunehmen, der jetzt koksend gefilmt wurde. BILD hält uns auf dem Laufenden.

Es passt auch noch die Meldung, die heute auch in der Zeitung steht: Die Verurteilung eines Jura-Professors aus Hannover.

Die Artikel werfen wie nebenbei die Frage auf, wann eigentlich "datenschutzmäßig" ein Gesicht gezeigt, ein Name genannt werden darf. Der Professor jedenfalls ist jedesmal unkenntlich, sein Name nicht zu lesen. Beim Ex-Staatsananwalt ebenso.

Am Besten ist der Herr Professor noch auf einem Bild der BILD zu sehen. Die Augenpartie gerastert sitzt der Mann da, grinsend wie ein Ackermann aus Böhmen. Nein, natürlich: der Schweiz. Weshalb aus der BILD-Zeitung zitiert sei:

"Gute Noten gegen Sex, Doktortitel gegen Bares – so besserte ein Jura-Professor aus Hannover seine Kasse und sein Liebesleben auf. Für Bestechlichkeit in 68 Fällen wandert er nun ins Gefängnis."

Das Narrenhaus maskiert sich. Können Journalisten die Demaskierung ins Werk setzen?

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* Süddeutsche Zeitung, Nr.77, Mittwoch, den 02. April 2008, Seite 3

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