Ein kluger Kommentar zu Roland Kochs Hartz-IV-Arbeitspflicht im Deutschlandfunk.* Dass Koch als Lobbyist der Mittelschicht auftritt, dass es aber einen Umbau des Sozialstaats im 21. Jahrhundert braucht. Dass Besitzstandswahrung im Moment alles sei, was zählt. Meine Frage schon seit längerer Zeit: Wenn wir es in die Entscheidung Einzelner stellen würden -- wie viel in Bruttolohn-% wäre den Menschen die absolute Sicherheit ihres Arbeitsplatzes wert? Diese noch unbeantwortete Frage macht, vielleicht sinnloserweise, jede Forderung der Beamten auf Gehaltserhöhung immer zu einer komischen Sache.
Auf den ersten Blick ist das Ganze ein Sturm im semantischen Wasserglas. Was Roland Koch fordert, ist längst Gesetz und Praxis: gut eine halbe Million Arbeitslose verrichten als Ein-Euro-Jobber gemeinnützige und daher mitnichten "niederwertige" Tätigkeiten. Mehr können, wollen oder dürfen die Kommunen und die Sozialverbände nicht beschäftigen.
Koch weiß das. Warum provoziert er so dumpf? Drei Deutungen bieten sich an. Die erste lautet: Taktischer Zynismus. Eingeklemmt zwischen Krise, Schuldenbremse und Steuergeschenken bleibt der Regierung, so Koch, zur Geldbeschaffung nur noch eine "Hartz IV-Reparatur", an deren Ende "die Gemeinschaft weniger aufbringen" muss. Und als notorisch böser Bube vernebelt er mit der Zwangsarbeitsrhetorik eine Strategie, die auf die Lockerung der Zuverdienstgrenzen bei Hartz IV zielt. Ohne eine Flankierung mit Mindestlöhnen, würde das aber den Elendslohnbereich und das staatlich ermunterte Lohndumping auf Dauer stellen.
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* Ich wollte schon schreiben: In der Eile nicht zu finden. Aber dann, mit Phantasie, doch gefunden. Mathias Greffrath, DLF 21.01.2010 · 07:20 Uhr: Roland Kochs Provokation oder die soziale Marktwirtschaft neuerfinden
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