Freitag, 17. Dezember 2010

Deutsch-türkische Mischkultur?

Dass türkischstämmige Fußballer für Deutschland wichtig sind, ist evident. Ich sage nur: Özil. Nun aber zeigt sich ein bemerkenswerter Retour-Effekt. Das morgenländische "Respekt"-Verhalten wird in Deutschland adaptiert. Beispiel Michael Ballack, zitiert nach der SZ von heute: 

Michael Ballack hat seine Kritik an Bundestrainer Joachim Löw und Philipp Lahm erneuert. In einem Interview des Kölner Express monierte der Fußball-Profi von Bayer Leverkusen den Umgang mit ihm in der Debatte um seine Rolle in der Nationalelf. 'Diese Sache hatte etwas mit Respekt gegenüber dem Kapitän zu tun', sagte Ballack über Lahm, der ihn bei der WM in Südafrika als Spielführer vertreten und dort seinen dauerhaften Anspruch auf das Kapitänsamt formuliert hatte. (S. 29)

Nun gibt es aber ein aufgeklärt-utilitaristisches Paradigma, welches gegen diese Respekt-Forderung steht. Das erlebt gegenwärtig doch auch Guido Westerwelle...

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Vgl. auch diesen Taz-Bericht:

04.10.2010
BROSCHÜRE SOLL AUFKLÄREN
Respekt für Schwule auf Türkisch
Eine Broschüre des LSVD erklärt Homosexualität auf Türkisch und Arabisch - weil migrantische Jugendliche besonders vorurteilsbeladen seien. VON ALEXANDRA ROJKOV


"Kai ist schwul. Murat auch!" Mit diesem Slogan machte der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) 2004 mobil gegen Diskriminierung. Nun legt der Verein nach: Eine Infobroschüre in deutsch-türkischer und deutsch-arabischer Fassung soll über Homosexualität aufklären.


Laut LSVD zeigt eine Umfrage von 2006 unter knapp 1.000 Berliner Schülern: Fast 80 Prozent der türkischstämmigen Jungen halten es für "abstoßend", wenn sich zwei Männer auf der Straße küssen. Bei deutschstämmigen sind es 48 Prozent. Und nur 37,5 Prozent der "Türken" spricht Homosexuellen die gleichen Rechte zu wie Heterosexuellen, bei den "Deutschen" sind es immerhin 74 Prozent.

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Nachtrag am 10.11.2012:  "...halten es für 'abstoßend', wenn sich zwei Männer auf der Straße küssen". Was ist daran so erstaunlich? Die jungen Leute haben halt die Feinheiten bürgerlich-sprachlicher Feinabstufungen im Deutschen nicht drauf. Dafür sind sie zweisprachig.

Also mal genauer: Küssen kann vieles heißen. Vom leichten Wangenkuss bis zum minutenlangen Zungenkuss-Dauerknutschen. Zungenküsse auf der Straße, die sind für mich, ohne jeden Migrationshintergrund, auch: befremdlich. Auch wenn da ein Mann eine Frau küsst und umgekehrt. Und ich gebe auch zu: Es gibt da Abstufungen: Zwei Männer, die sich auf der Straße oder meinetwegen: auf dem Gehsteig zungenküssen, halte ich für noch befremdlicher. Na und? Soll ich meine Gefühle politisch korrekt unterdrücken, oder was?