Freitag, 17. Dezember 2010

Sind Menschenrechte relativ?

Zu Tradition und althergebrachter Kultur? Ein lesenwerter Artikel heute in der SZ. Auszüge:

Diesem [die Menschenrechte relativierenden] Kulturbegriff zufolge ist China vor allem China und eben nicht der Westen, ein homogenes Gebilde mit eigenem Menschenbild und eigener Ethik, das 'ganz Andere', das aus sich selbst heraus verstanden werden und seinen 'eigenen Weg' gehen muss. Entsprechendes gilt für den Westen; ihm sind Menschenrechte und Demokratie, als hätten sie nicht mühsam erkämpft werden müssen, schon in die kulturelle Wiege gelegt, während sie in der chinesischen fehlen.


[...]


Die Sinologie liegt mit einem solchen Chinabild allerdings in einem breiteren Trend der Geistes- und Sozialwissenschaften, der mit dem Ende des Kalten Krieges den 'Faktor Kultur' zum neuen Paradigma erhoben hat. Auch die Moderne, die ihrem klassischen Selbstverständnis nach die Verwirklichung eines universal gültigen Prinzips der 'freien Subjektivität' mit seinem institutionellen Pendant, der freien, von ihren Bürgern konstituierten Republik sein wollte, wird wieder in den 'objektiven Geist' der Kulturen oder der großen 'Zivilisationen' zurückgeholt: Als 'multiple' Moderne soll sie nun neben der nur noch 'westlichen' auch in anderen Formen, darunter einer chinesischen, präsent sein, die sich durch ihre indigenen 'primordialen' Wertungsaxiome signifikant voneinander unterscheiden. Seltsam: Während der Erdball von ein und derselben Logik der Ökonomie und der Technik überzogen wird, geraten die ethischen Normen, die ihr Grenzen setzen müssten, unter die Ägide der je relativen Einzeltraditionen.

Alle sind gleich. Nur die Chinesen nicht. Sind Menschenrechte universal? Zur Debatte um den Friedensnobelpreis und den Kulturalismus. Von Heiner Roetz. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 292, Freitag, den 17. Dezember 2010, S. 12.

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