Dienstag, 27. Mai 2008

Lektüre: Philip Kerr, Der Tag X

Ein ganz normaler Thriller kann einen mit 1000 und 1 Frage konfrontieren: Woher hat dieser Kerr nur all die Informationen? Nein, nicht die über das Verschwörungstheoretische und das Innenleben seiner Figuren. Das muss Phantasie sein. Sondern die über Zeit-Produkte, Fernseher zum Beispiel. Waffen-Typen mit Einzelheiten. Wetterverhältnisse und Flugpläne des Jahres 1961. Sind diese Hintergründe größtenteils authentisch -- hat Kerr eine Arbeitsgruppe, die ihm da zuarbeitet? -- oder doch frei erfunden?
Dann die Übersetzung.* (Von Cornelia Holfelder-von der Tann. Schöner Name!) Eine Übersetzung, die einerseits gut, weil flüssig und spannend ist. Gelegentlich aber auch einbricht. Etwa wenn ein Menschentyp als Cracker eingeführt wird. Einmal einer, dessen Mundgeruch aus "Fisch, Maisgrütze und Stuss" besteht (S. 325). Dann aber wieder, gleich darauf, ganz andere Typen. Hat sich da der Übersetzer vor der Übersetzung des US-Slang-Ausdruck cracker, ganz allgemein für 'Weiße", gedrückt? Weil es im Deutschen keinen passenden Ersatz gibt? Nur, woher sollen wir das denn wissen?
Abgründig jedenfalls, unterm Strich, wie da der Kennedy-Historie ein zweiter Boden eingezogen wird. Das Doppelbödige ist dann sehr überzeugend und spannend. Was liegt zwischen den Böden? Nur die Phantasie? Wirklich?
Und wieder so ein Buch, bei dem man, noch während man die Übersetzung liest, sagt, dass jetzt die englisch Originalausgabe her muss.
Wenn einer sagt, dass das solide Thriller-Kost, aber kein Meisterwerk ist, wegen zu wenig Tempo, dann hat er nur die eigenen Thriller-Maßstäbe angelegt. Es gibt aber auch noch andere, verzweigtere und verzwicktere. Und da kann dieser Tag X etwas ganz anderes sein, jenseits der üblichen Maßstäbe.
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Links zum Buch und zum Thema: 1, 2 und 3.
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* Meine Ausgabe: 1. Aufl. Wunderlich Verlag 2001.

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