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Freitag, 18. Dezember 2020

Damengambit (Netflix) und Frauen-Schach

Ich habe das Damengambit auf Netflix gerne gesehen. Die letzte Folge sogar drei mal. Gut gemacht. Spannend. Irgendwann bin ich dann darauf gekommen, dass etwas schade ist. 

Alternativer Geschichtsverlauf. Noch nie hat eine Frau im Schach gegen die ganz großen - Männer gewonnen. Schon gar nicht in den 1960er Jahren. Beth Harmon schreibt alternative Geschichte. Interessantes Genre, nur halt eben - fiktional. Es gehört in eine Reihe mit, sagen wir - 

Eine Steigerung ist der bewusste Bruch mit den historischen Fakten, der in einem Fall wie Philip K. Dicks exemplarischem Roman »The Man in the High Castle« (»Das Orakel vom Berge«, 1962) als Experiment unter dem Motto: Was wäre, wenn? – hier: wenn die »Achsenmächte« den Zweiten Weltkrieg gewonnen und die Welt unter sich aufgeteilt hätten – durchgespielt wird, und der im anderen Fall, sagen wir Quentin Tarantinos INGLOURIOUS BASTERDS, aus einer historisch mehr oder weniger korrekten Erzählung durch einen inszenierten Bruch ins Kontrafaktische verwandelt wird. Was beim einen Voraussetzung für den Plot ist, wirkt beim zweiten als sehr spezieller Effekt und setzt Wagemut beim Regisseur wie beim Publikum voraus. (epd-film.de)

Aber wieder zum Schach. Warum spielen Frauen nicht so gut wie Männer. Dass sie weniger spielen usw. -- alles natürlich großer Quatsch. Eine, also: 1 Frau hätte es irgendwann gegeben, die unter den ersten 10 ihrer Zeit gestanden hätte. So ist das Damengambit wahrscheinlich eine sehr frei entwickelte Hommage an Bobby Fischer - als Frau. Passend in unsere Zeit.

Freitag, 5. Juni 2020

Romantik & Fragment

Das Fragment gilt als das Beispiel für den romantischen Text. Wobei - natürlich hatten die Autoren nicht vor, Fragmente zu schreiben. Sie haben sich schlicht übernommen, waren zu schwach für das Große, dass sie sich vorgenommen hatten. 

Auf der anderen Seite: Manchmal ist das Fragment vielleicht auch die angezeigte Form. Manches in Wirklichkeit, im Leben ist eben dazu bestimmt, Fragment zu sein und zu bleiben.

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Lektüre von Bretanons Godwi. Buch 1, kein Fragment, Fortsetzung dann aber schon. 

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Novalis. Das Thema. Das romantische Fragment || Der Begriff des Fragmentarischen nimmt in der Entwicklung des frühromantischen Denkens und Schreibens eine hervorragende Rolle ein. Und wiederum ist es Friedrich Schlegel, der die entscheidenden Impulse setzt. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Idee des Bruchstückhaften und des Unvollendeten als Zeichen und zugleich Werkzeug einer unendlichen Annäherung an das Absolute: "Die romantische Dichtung ist noch im Werden; ja, das ist ihr eigentliches Wesen, dass ewig nur werden, nie vollendet sein kann." Vor dem Hintergrund dieser postulierten Unendlichkeit ist jeder romantische Text, wie lang oder kurz, wie komplex oder einfach auch immer, vor vorneherein als fragmentarisch zu begreifen: Was nicht ausgeschöpft, nicht vollendet, nicht abgeschlossen kann, bleibt per se Fragment. (br.de)

Mittwoch, 10. Juli 2019

Martin Schneitewind

Notizbuch

Auf Schneitewind und all das, was hinter diesem Namen steht, hat mich das Buch von Thomas Strässle, Fake und Fiktion. Über die Erfindung von Wahrheit gebracht.

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Spektakulärer Fund? Ein Orient-Roman von Martin Schneitewind | BR24 || Wenn überhaupt sind solche Spekulation nur der Anlass, sich selbst zu befragen, wie man es denn so hält mit der Trennung zwischen Fiktionen und Fakten. Und noch einmal muss man ihm, Raoul Schrott, recht geben: "Was alte Quellen ausdrücken, sind Ideen. Je älter, desto frischer sind sie in ihrer Konzeption. Anders ließe sich nicht erklären, weshalb die griechische Mythologie heute noch so bedeutsam ist." (br.de)

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Den Umschlag von Strässles Buch würde ich übrigens gerne den Book-Cover-Award 2017 verleihen. Also -- erst mal für diesen Preis vorschlagen, meine ich.


Man muss ein wenig suchen, 
bevor man den Grafiker findet. Also -- 
Umschlag: Peter-Andreas Hassiepen, München


Und das Buch von Strässle? Unbedingt lesenswert!

Donnerstag, 4. Juli 2019

Theodor Storm, "Der Doppelgänger"

Notizbuch

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Die Erzählung um John Hansen ergibt sich aus einer zufälligen Begegnung des namenlosen Ich-Erzählers mit einem Oberförster in Jena, dessen Frau aus Husum stammt und nach dem elenden Tod ihres Vaters von dessen Eltern aufgenommen wurde.

Das Werk ist auf drei Zeitebenen angesiedelt. Es beginnt mit der kurz angedeuteten Gegenwart des Chronisten, der sich an eine Reise erinnert, die ihn „vor einigen Jahren“ nach Jena führte. Am Schluss der Novelle wird diese Ebene erneut erreicht, indem er beschließt, seine dort gewonnenen Freunde zu besuchen. Die ausgemalte Erinnerung an das Försterehepaar bildet die idyllische Rahmenhandlung für die umfangreiche Binnenerzählung um John Hansen, die etwa 30 bis 40 Jahre vor der Erzählgegenwart liegt. (Wikipedia)

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Sonntag, 3. März 2019

Strindberg et al.

Notizbuch

Ich stelle gerade um. Über den Dichter, der die folgenden Zeilen geschrieben hat, hatte ich immer eine feste Meinung -- aus der Sekundärliteratur und aus ein paar wenigen Leseproben. Jetzt sehe ich -- das war ein ganz anderer Mensch, nicht der, den ich mir da zusammengereimt hatte. Modern, experimentell. Vielleicht -- nein, sogar wahrscheinlich: hat er sich auch oft verrannt. Wie das in Zeiten des Umbruchs leicht geschieht. Solche Ausführungen wie da unten in Verse zu fassen -- das konnte späterhin, als der Wind sich gedreht hatte, nicht gut gehen. Aber man kann sich auf eine neue, andere Weise damit beschäftigen ...

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Strindberg, herrlichster der Hasser,
Scheerbart, heiliges Riesenkänguruh,
und vor Allen Du, mein blasser,
vampyrblasser Stachu* du,

der mit mir durch manche Hölle
bis vor manchen Himmel kroch,
Cancan tanzend auf der schwindelnden Schwelle –
Przybyszewski, weißt du noch:

wie wir, spielend mit der blöden
Sucht nach unserm Seelenheile,
aufgestachelt von der öden
Wüstenluft der Langenweile

und der Glut der Toddydünste,
unser Meisterstück begingen
in der schwierigsten der Künste:
über unsern Schatten zu springen?!

Wie wir jedes Weib verpönten,
das nicht männlich mit uns tollte;
wie wir selbst auf Nietzsche höhnten,
der noch »Werte« predigen wollte!

Denn auch wir, wir waren Jeder
mehr als weiland Faust verschrien.
Darum schrieb ich auf mein Dichterkatheder:
Doctor sämtlicher Philosophieen!

Und da sah ich endlich sie erscheinen,
die noch niemals jemand sah,
sie, die Schöpferin des All-Einen,
sie, des Satans Großmama: ...

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* Vgl. hier. -- Stanisław Przybyszewski (1868 - 1927).

"Hähnchen von Tharau"

Die Überraschung des Tages, Monats, wahrscheinlich des Jahres!

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Ganz Deutschland pries ihren edlen Stil
ob seiner fließenden Reinlichkeit;
besonders Dehmel'n besprach sie viel
und beklagte seine Peinlichkeit.

In Höherem Auftrag ließ sie auch,
der Staat bewilligte die Mittel,
ein Werk erscheinen mit dem Titel:
»Das verbesserte Volkslied zum Schulgebrauch«.

An den Anfang war als Motto gestellt:
»Hähnchen von Tharau ist's, das mir gefällt«.

...

Es schießt die Saat aus ihrem dunklen Schooß,
die lange schmachtend lag in spröder Hülle;
ich will mich lauter blühn, lauter und los
aus dieser Brünstigkeit zu Frucht und Fülle!

Oh komm! satt bin ich meiner Knabenlust.
Komm, komm, du Weib! Nimm auf in Deine Schale
die Furcht, die Sehnsucht dieser jungen Brust!
Noch trank ich nie den Rausch eurer Pokale.

Auf Nelkendüften kommt die Nacht gezogen;
o kämst auch Du so süß und so verstohlen,
so mondesweiß! O sieh: auf Sammetwogen,
auf Purpurflaum, auf schwärzeste Violen

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Sonntag, 23. Dezember 2018

Handke, radikal realistisch

Onkel Michael berichtet aus seinem Leben.

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Professor F., Literaturwissenschaftler. Seine Vorlesung zur deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts. Am Schluss auch zu ganz neuen Büchern. Er spricht über Handkes Kurzen Brief zum langen Abschied. Am Ende der Vorlesung dürfen Fragen gestellt werden.

Warum das und das nicht klar ausgedrückt sei, fragt ein Student. Ob Handke das wohl zu persönlich, zu peinlich gewesen sei?

Mein Gott, wie viele Jahre ist das her!  Der Onkel seufzt auf. 

Jemand, der beschreibt, wie der Held in der Badewann onaniert, dem sei so etwas bestimmt nicht peinlich, sagt Professor F. Ich zucke zusammen. Solche Sätze in einer Vorlesung an einer deutschen Universität kommen bestimmt nicht oft vor, überlege ich.

Jetzt habe ich endlich nachgeschlagen, nach so vielen Jahren. Kein Zweifel, da steht es! Genau so ...

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Ich ließ das Wasser herausrinnen, während ich noch sitzenblieb. Das Wasser floß sehr langsam ab, und als ich zurückgelehnt, mit geschlossenen Augen dasaß, kam es mir vor, wie wenn auch ich selber, mit den gemächlichen Rucken des Wassers, nach und nach kleiner wurde und mich schließlich auflöste. Erst als mir kalt wurde, weil ich ohne Wasser in der Wanne lag, spürte ich mich wieder und stand auf. Ich trocknete mich ab und schaute an meinem Körper hinunter. Ich ergriff mein Glied, zuerst mit dem Handtuch, dann mit der bloßen Hand, und fing, während ich so stand, zu onanieren an. Es dauerte sehr lange, und manchmal machte ich die Augen auf und schaute zu dem Milchglasfenster des Badezimmers hinüber, auf dem sich die Schatten der Birkenblätter auf und ab bewegten. Als der Samen endlich herauskam, knickte ich in den Knien ein. Dann wusch ich mich, duschte die Badewanne sauber und zog mich an.

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Dienstag, 27. November 2018

Kif Kehlmann

Das ist wirklich lustig!



"Es gibt keine Wahrheit, nur Interpretationen. Ohne die Wahrheit sind wir besser dran."




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26. November 2018 | Fakten und Fiktion|  Wenn ich lüge, sind alle zufrieden || Der Erzähler Richard Flanagan Richard Flanagan: Der Erzähler. Roman. Aus dem australischen Englisch von Eva Bonné. Piper Verlag, München 2018. 448 Seiten, 24 Euro. ... Ein Schriftsteller namens Kif Kehlmann wird zum Ghostwriter eines Gangsters und schließlich selber Verbrecher im grotesken Roman "Der Erzähler" des australischen Schriftstellers Richard Flanagan. Von Frauke Meyer-Gosau 

Wenn die Hauptfigur eines Romans ein Schriftsteller mit Namen Kif Kehlmann ist, ahnen wir, dass wir uns auf die Parodie eines Künstlerromans gefasst machen sollten - wie könnte ein bekiffter Kehlmann ein ernst zu nehmender Schriftsteller sein? Genauso kommt es dann auch in Richard Flanagans "Der Erzähler": Allein wenn man zusieht, wie sich der junge Autor anno 1992 in einem Abbruchhaus auf Tasmanien, in dem er mit Frau Suzy und Tochter Bo direkt neben einem Junkie-Treff lebt, seitwärts kopfüber in seinen vollgerümpelten Schreibplatz hineinschrauben muss, um an seinem demnächst hoffentlich weltberühmten ersten Roman zu arbeiten, ist glasklar: Hier regiert das Gesetz der Groteske. Um alles auf die Spitze zu treiben, steht Suzy kurz vor der Geburt von Zwillingen, das Auto sowie häusliche Installationen brechen immer wieder zusammen, und Kehlmann will partout nichts Literarisches einfallen - aus der literarischen wird flugs eine existenzielle Krise, der Schriftsteller muss dringend Geld heranschaffen. | Und schon kommt, zappzarapp, ein Angebot! Zu verdanken hat Kehlmann es seinem Jugendfreund Ray, der inzwischen als Leibwächter des australischen Superkriminellen Siegfried Heidl arbeitet. Der deutschstämmige Betrüger hat australische Banken um 700 Millionen Dollar erleichtert und sieht seinem Prozess entgegen, nach dessen Ende er lebenslänglich im Knast verschwinden wird. Zuvor will "Ziggy" noch seine Autobiografie schreiben und braucht einen Ghostwriter: Kif Kehlmann. Etliche Autoren haben den Auftrag nach kurzer Zeit hingeworfen, Kif aber hat keine Alternative, er braucht die 10 000 Dollar. Und muss in den sechs Wochen bis zum Prozessbeginn Heidls Lebensgeschichte zusammenschustern. (sueddeutsche.de)

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Donnerstag, 9. November 2017

Vladimir Nabokov

Notizbuch (eben verschriftlicht):

"»... Wie kaum ein anderer Schriftsteller vermochte er sich in seine Figuren dermaßen hineinzuversetzen, bis sie sich gleichsam in ihn hineinversetzt hatten.« (m-gasser.ch Youtube 07:30ff.)

Montag, 18. September 2017

Amazon-Literaturkritiker

Meinem Freund N. N., der erkennbar traurig ist, weil sein neuestes Buch bei den Amazon-Kritiken nicht so gut wegkommt, sage ich eben am Telefon: "Ich hab mir diese drei Kritiken angeschaut. Mal in einer Analogie: Diese Kritiken kommen von Fußballspielern, auch wenn sie es nicht ausdrücklich sagen. Aber du hast über Schach geschrieben! Sie fragen die ganze Zeit: Und wann sagt er endlich, welche Mittelfeldspieler er aufstellen will?"

N. N. schaut mich durch das Telefon verständnislos an. Ich kann sowas spüren! Ich versuche also expliziter zu werden.

"Diese drei wollen Uta Danella oder, wenn sie jünger sind, dann von Poppy J. Anderson lesen. Aber du wolltest doch Franz Kafka und gleichzeitig Wolfgang Hildesheimer nachfolgen. Ohnehin ein gewagter Spagat, mit Verlaub. Aber bei dem, was du da abgeliefert hast, da werden natürlich Danella- und Anderson-Erwartungen schwer enttäuscht. Auf der andaeren Seite: auf diese Erwartungen solltest du nichts geben!"

Habe ich N. N. getröstet? Ach, ich weiß nicht ...

Mittwoch, 5. Juli 2017

Karl Ove Knausgård 2

Der Roman beginnt so:

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DIE VIERZEHN JAHRE, DIE ICH IN BERGEN LEBTE, von 1988 bis 2002, sind längst vorbei, geblieben sind von ihnen lediglich einige Episoden, an die sich manche Menschen eventuell erinnern, ein Geistesblitz hier, ein Geistesblitz da, und natürlich alles, was mir selbst aus jener Zeit im Gedächtnis geblieben ist. Doch das ist erstaunlich wenig. Das Einzige, was von den tausenden Tagen noch existiert, die ich in dieser kleinen, gassenreichen, regenschimmernden, westnorwegischen Stadt verbrachte, sind wenige Ereignisse und eine Vielzahl von Stimmungen. Ich führte ein Tagebuch, das habe ich verbrannt. Ich machte ein paar Bilder, von denen besitze ich noch zwölf, sie liegen neben meinem Schreibtisch in einem kleinen Haufen auf dem Fußboden, zusammen mit all den Briefen, die ich in dieser Zeit bekam. Ich habe in ihnen geblättert und hier und da ein paar Zeilen gelesen, was mich immer deprimiert, es war eine so fürchterliche Zeit. Ich wusste so wenig, wollte so viel, brachte nichts zustande. Aber in welch einer Stimmung ich war, als ich dorthin ging! Ich war in jenem Sommer mit Lars nach Florenz getrampt, wo wir ein paar Tage blieben und anschließend den Zug nach Brindisi nahmen, und wenn man den Kopf aus dem offenen Zugfenster steckte, war es so heiß, dass man das Gefühl hatte, es würde brennen. Nacht in Brindisi, dunkler Himmel, weiße Häuser, eine nahezu traumartige Hitze, riesige Menschenmengen in den Parks, überall junge Leute auf Vespas, laute Rufe und Lärm. Wir stellten uns mit unzähligen anderen, die fast alle jung waren und Rucksäcke trugen, in die lange Warteschlange vor dem Steg zu dem großen Schiff, das nach Piräus fuhr. 49 Grad auf Rhodos.

Knausgård, Karl Ove: Träumen. Roman. S.7-8. Luchterhand Literaturverlag. Kindle-Version. 

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Was fällt mir als erstes ein? 

Direkt, persönlich, schnörkellos. Und dann -- autobiographisch? Was für ein merkwürdiges Wort. Das kann dem eigenen Leben abgelauscht sein. Es kann aber auch eine absolut fiktive Erzählung sein. 

Ein interessanter Gedanke, eine Story-Theorie-Grundlage: Jemand, der vorgibt, sein Leben zu erzählen, beschreibt eine absolute Fiktion. Und dann natürlich auch: umgekehrt -- eine vermeintliche vollkommen fiktionale Erzählung ist die absolut authentische Schilderung des eigenen Lebens. Des Autors, nicht des Erzählers!

Dienstag, 21. Februar 2017

Indirekte Rede: Wie ein Krimi

Auch wenn es makaber klingt, aber: So sollte ein Krimi beginnen! - Sehr stark: "Ob Alexander H. gleich tot gewesen sei? Antwort: 'Was heißt gleich?'"

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Als die Mordkommission an jenem Januarmorgen bei ihr klingelte, reagierte sie überrascht. Auf die Frage, wo die Leiche liege, habe sie mit einer vagen Handbewegung zum Garten gedeutet und "draußen beim Kompost" gesagt. Ob das gegrabene Loch tief sei? Nicht so tief, habe sie gesagt. Nur bei der Frage, ob noch mehr Leichen im Garten seien, schreckte sie hoch. "Nein. Der Alex ist der Einzige." Die Tatwaffe? Da habe sie mit der Hand eine Kreisbewegung gemacht und gesagt: "So ein Ding, mit dem man Bretter schneidet." Wo sie ihren Freund geschnitten habe, wollte der Kripomann wissen. Sie deutet auf seine Brust. Ob Alexander H. gleich tot gewesen sei? Antwort: "Was heißt gleich?" Mutter Marianne H. zittert am ganzen Körper und weint. Der Prozess wird fortgesetzt. (sueddeutsche.de)

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Nachbearbeitet: 12.10.2018

Freitag, 7. Oktober 2016

"Resident Evil"

Was hat es auf sich mit dem "wohligen Gruseln" und dem suspense in horror?

Das Finale der Zombiesaga rückt näher: Ein neuer Teaser-Trailer zu "Resident Evil: The Final Chapter" bereitet auf ein düsteres Actionspektakel vor. Auf der New York Comic Con wird der Film am Wochenende präsentiert. | Der Titel ist Programm: "Resident Evil: The Final Chapter" soll der sechste und zugleich letzte Teil der "Resident Evil"-Reihe von Paul W. S. Anderson mit Milla Jovovich in der Hauptrolle sein. Ein neuer Trailer legt nahe: Zombiejägerin Alice bekommt es auch im Abschlusskapitel wieder mit Horden von Untoten zu tun.| Neue Szenen kombiniert der Clip in schnellen Schnitten mit Material aus den fünf Vorgängerfilmen. Abgesehen von einem Vorgeschmack auf akrobatische Actionszenen und spektakuläre Feuergefechte lässt er nur wenig Rückschlüsse auf die Handlung zu.

Man kann natürlich weiter fragen: Warum kann kein ernsthafter Roman happy enden, jedenfalls nicht heute? Na gut, eigentlich: Noch nie! (Ausnahme: Der Nachsommer. Aber da ist der Schrecken nur auf den Autor ausgelagert.) Warum ist das Schöne und Gute in der Kunst Kitsch? Muss das auf ewig so weitergehen?


Donnerstag, 11. August 2016

Buchhandel und Mitleid

Noch so ein Fund zu später Stund!

Beitrag vom 29. Juni 2016 | Rubrik: Literarisches Leben, Literatur online | Kundenservice mit Links: Was Buchhandel.de alles falsch macht || »Warum verlinkt das literaturcafe.de bei den Rezensionen und Buchtipps nur auf Amazon? Warum nicht auf Buchhandel.de, um die kleinen Buchhandlungen um die Ecke zu unterstützen?« Diese Fragen werden uns regelmäßig gestellt. | Sie wurde vor einiger Zeit mit großer Aufregung auch dem SPIEGEL Online gestellt, der bei seinen Bestsellerlisten ebenfalls nur Amazon verlinkt hatte. Für kurze Zeit fügte der SPIEGEL einen Link auf Buchhandel.de hinzu. Jetzt hat man ihn wieder entfernt. Uns wundert das nicht. | Es gibt keinen einzigen Grund, warum Websites und Blogs Buchhandel.de verlinken sollten – außer Mitleid. (literaturcafe.de)

Wer sich eine Meinung bilden will, muss unter dem Link weiterlesen.

Donnerstag, 4. August 2016

Übersetzerstreit, damals

Auch nach Jahren noch lesenswert:

"Der Streit um die mißglückte deutsche Übersetzung des Romans „Lemprière’s Wörterbuch“ von Lawrence Norfolk führt zu der Frage: Ist beim Übersetzen eigentlich alles egal? | Stetige Bumser im Rücken | 5. Februar 1993 | Von Dieter E. Zimmer || Eine Berufsgruppe, die sonst im stillen wirkt, hat seit Ende letzten Jahres so etwas wie einen öffentlichen Eklat: die literarischen Übersetzer. Elf von ihnen, darunter hervorragende, entschlossen sich zu einem beispiellos unkollegialen Schritt. Sie. schrieben einen offenen Brief an die Medien, in dem sie gegen die Arbeit eines Kollegen (Hanswilhelm Haefs) Protest einlegten und den Verlag (Knaus/Bertelsmann) aufforderten, das betreffende Buch (Lawrence Norfolks Roman „Lemprière’s Wörterbuch“) neu übersetzen zu lassen. Der Verlag beantwortete das Ansinnen mit einer Schadensersatzdrohung. | [...] | Denn wenn sich da nicht einiges geraderückt, erhält demnächst einen Orden für sprachliche Innovation und Distanzierung, wer es schafft, aus einer Boulevardschlagzeile wie „Lost Royalties Hit Pop Stars for Millions“ etwas Ungeläufiges zu machen, etwa: „Verlorene Königliche schlagen Puffsterne für Millionen“. Heißt: Honorareinbußen schädigen Pop Stars um Millionen." (ZEIT Online)

Wobei -- Honorareinbußen schädigen Pop Stars um Millionen ? Ich glaube, diesen Satz könnte man noch ein klitzeklein Bisschen, na gut: bisschen schöner formulieren. 

Sonntag, 29. März 2015

Perspektive: Gedankenlesen gut erklärt

Wir schließen von Äußerem auf 'Fremdpsychisches', wie das in der Philsophie manchmal heißt:

"1. Hamilton, 2. Rosberg, 3. Vettel - so lautete die Reihenfolge, als Vettel frische Reifen geholt hatte. Und was mit solchen möglich ist, zeigte er zügig: Als Rosberg das rote Auto in seinem Rückspiegel sah, erschrak er ein wenig." (sueddeutsche.de)

Frage: Woher kann der Reporter das denn wissen? War er in Rosbergs Kopf und hat es von da aus erster Hand? Aber dann eben die Fortsetzung:

"Am Funk war das deutlich zu hören. Was das zu bedeuten habe, wollte er von seinem Renningenieur wissen."

Montag, 16. März 2015

Was, bitte, ist heute ein 'Orchideenfach'?

Früher, als ich studiert habe, waren Orchideenfächer so was wie Asyrologie oder die kleinen Sprachen wie Baskisch oder Gälisch. Literaturwissenschaft war ein Großfach, quer durch die Philologie, nicht nur wegen der Deutsch-, Englisch- und Französischlehrer. Gestandene ältere und auch jüngere Herren nannten sich stolz "Professor für Literaturwissenschaft" und machten sich viele Gedanken, wie man Rilkes nun wirklich schwer zu verstehenden Grabspruch zu verstehen habe. Und was lese ich heute, eher zufällig?

"Schade, dass Literaturwissenschaft anscheinend unsexy ist. Auch wenn das nur ein seltsamer, unbedeutender Typ sagt, der selbst ziemlich unsexy ist. Es mag ein Orchideenfach sein, doch warum betrachtet man davon nur die negativen Aspekte?" (Melina Brüggemann, Was es heißt, ein Orchideenfach zu studieren.  unikatmuc.de)

Also, wenn mich da ein Jurist auf einer Party anmachen würde, weil ich Literaturwissenschaft studiere, ich würde sehr kühl kontern: "Ich tue was für mich und die Ewigkeit, und du, Juristendödel, tust was für's Geld und den Tag!" Und vielleicht würde ich noch hinzufügen: "Ich erwarte aber nicht, dass du das verstehst. Du studierst ja schließlich so ein komisches Nützlichkeitsfach und nicht Literaturwissenschaft."

Mittwoch, 20. März 2013

Michael T. Lefèvre?

Jetzt doch mal im Wortlaut: 

"Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen?" 

Jou, Thomas, das hast du wirklich sehr schön gesagt. Zwar kaum Inhalt, aber dafür klingt die Sache sehr -- wie soll ich sagen... Anheimelnd. Mir fällt im Moment nichts Besseres ein. Und: Mach's doch einfach! Nenn' ihn unergründlich! Einfach so! Und dann studier' Physik, um auch die andere Perspektive zu kennen. Die mit Raumzeit und so. Ob du da auf einen Brunnen kommst? Na ja, auf einen Tunnel immerhin. Ist ja sowas ähnliches wie ein Brunnen. Nur mehr oder weniger -- horizontal. Aber auch: maskulin. der Tunnel so wie der Brunnen. Und diese Symbolik! Gefällt dir bestimmt, das Maskulin-Symbolische da.

Was? Nach dem Tod sei es für ein solches Studium ein bisschen zu spät, sagst du? Hast du auch wieder recht ... 

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Aber nun denn, angeregt von dem eigenartigen Erinnerungschub, gestern: Was macht eigenlich "Michael Léfevre"? Google findet nichts. Und ohne Anführungszeichen -- vielleicht hat er ja einen eine kleine Veränderung vorgenommen und heißt jetzt Michael T. Lefèvre? - Auch nichts Passendes. Nun denn ...

1971, ein denkwürdiges, aber lang vergangenes Jahr!

Hier vermittelt durch das Archiv der ZEIT.

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"Im Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1970/71 hatten die drei marxistisch gestimmten Dozenten Dr. Manfred Lefèvre (33), Dr. Horst Domdey und Dr. Friedrich Rothe (32) drei germanistische Proseminare angekündigt. Deren Titel erregten bei der Obrigkeit zunächst keinerlei Aufmerksamkeit:

Deutsche Literatur von der Kapitulation bis zur Währungsreform (Lefèvre),
Literatur des CDU-Staats (Domdey),
Literatur zum Aufbau des Sozialismus in der DDR (Rothe)"

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Jesses na, was ist aus ihnen geworden? Von Lefèvre, nachdem ich gesucht habe, finde ich keinen Wikipedia-Eintrag und auch sonst nichts aus neuerer Zeit.

Wer die Zeit kennt, der weiß, dass die damaligen Links-Germanisten zum allergrößten Teil Zeitgeist-Mitläufer waren. Man muss, um das einordnen zu können, Martensteins These lesen.

Donnerstag, 19. Juli 2012

Mein Freund Schnuckenack

André Heller ist -- oder war --, was immer er sonst noch war oder ist: ein genialer Songtextschreiber:

"Mein Freund Schnuckenack nennt das Leben
eine Lehre, die man hat,
wenn man sie nicht mehr gebrauchen kann.
Und er hat die Lehren satt."

Wenn man das ganze Lied anhört: Ein Liedtext, das, wenn man ihn in erzählende Prosa übersetzt, wirklich sehr komplexe Inhalte zutage fördert.

Samstag, 27. August 2011

Die Vorurteile über Vorurteile

Die bürgerliche Geisteswissenschaft hat die leicht dümmliche Behauptung zur Tatsache erhoben, dass man die Person des Autors vom Werk zu trennen habe. Jeder Student bekommt dies eingebläut, und dann denkt er, es sei unwissenschaftlich, Frau von Stein und den Faust in einem Atemzug zu nennen. Was spricht für diese These der notwendigen Trennung von Leben und Werk, wenn man einmal von der Angst der Bürgersmenschen vor dem Leben generell absieht? Es dürfen auch keine "persönlichen Dinge" im Offiziellen eine Rolle spielen. Der Künstler tritt in den Hintergrund, das Werk zählt. Wie könnte man einen solchen Quatsch jemals begründen! Behaupten ja, aber begründen?