Sonntag, 3. Juni 2018

Argumentationsanalyse 3: Fakten

Ich versuche seit längerem schon in Gesprächen und Diskussionen für die Überlegung an sich zu werben, dass das gegenwärtig propagierte Vertrauen in die „Fakten“ wenig Sinn hat. Fakten sind, wenn der Begriff nicht metaphorisch verdreht wird, das unterinterpretiert offensichtlich Wahrnehmbare. (Wenn Wahrnehmungen auseinanderlaufen, sind es keine Fakten mehr. Ich komme beim Wahrheitsbegriff darauf zurück.) Das Unstrittige, das sich oft mit Messungen und Zählungen verbindet, ist freilich ohne Interpretation fast nichts wert. 

Um ein relativ normales, im Moment nicht so emotional aufgeladenes Beispiel zu wählen: 

"2016 betrug der Etat [des Verteidigungsministeriums] 35,1 Milliarden Euro, in diesem Jahr erhöhte er sich weiter um circa zwei Milliarden Euro auf rund 37 Milliarden Euro." 

Nehmen wir einmal an, dass das korrekt und unstrittig ist -- was folgt daraus? Folgt daraus irgend etwas politisch Sinnvolles, über das sich reden ließe? Nein. Es müssen doch zumindest Dinge in Relation gesetzt werden: 

"Der Anteil des Verteidigungsetats am Bundeshaushalt beläuft sich in 2017 auf 11,2 Prozent." 

Dann bleibt die Königsfrage: Ist der Betrag für die Landesverteidigung zu hoch oder zu gering? Im Vergleich zu anderen Haushaltsposten und im Vergleich mit anderen Ländern.

Wie verhält es sich also mit diesem Vergleich: 

"Im Jahr 2017 betrug der Anteil der Militärausgaben von Deutschland am Bruttoinlandsprodukt ungefähr 1,2 Prozent. Anteil der Militärausgaben am BIP | Saudi Arabien* 10%  | Russland 4,3%   | USA 3,1%   | Südkorea 2,6%   | Indien 2,5%  | Frankreich 2,3%  | Türkei 2,2%   | Weltweit 2,2%   | Australien 2%   | China 1,9%." (de.statista.com)

Ist die Forderung von Präsident Trump, die europäischen Nato-Länder müssten ihre Verteidigungsausgaben erhöhen, angesichts dieser Fakten so einfach von der Hand zu weisen? -- Erst hier wird es interessant und wichtig, und erst da, nach Interpretationen und Einordnungen, beginnt die relevante politische Diskussion. Und da geht es eben nicht mehr um Fakten, sondern um Interpretationen und Argumentationen an sich.

Damit ist die Problematik der Fakten noch lange nicht erschöpft, aber eine erste Festlegung getroffen.

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