Montag, 4. Mai 2015

To put DINSLAKEN one the map


Der Aufsichtsrat als „Moppen-Ausschuss“?

Jeder bekommt Zusatzlohn: Wie sich Politiker mit Aufsichtsratsposten versorgen

Samstag, 25.04.2015, 09:19 · von FOCUS-Online-Experte Klaus Kelle (Medienunternehmer)

Die Aufsicht von städtischen Unternehmen wird weitgehend von Kommunalpolitikern vorgenommen. Qua Wahl ins Gremium werden diese praktisch zu Finanzexperten erklärt. Ob sie das Fachwissen mitbringen? Nebensächlich. Für das Ehrenamt gibt's Geld. Wehe dem, der das in Frage stellt.

Der Rheinländer hat der deutschen Sprache wunderbare Wortschöpfungen geschenkt. Da gibt es zum Beispiel den „halven Hahn“ für ein Roggenbrötchen mit Käse oder das „Bützen“ für einen mit geschlossenen Lippen verschenkten Kuss. Weniger bekannt, aber genauso schön ist der Begriff „Moppen-Ausschuss“ für Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen.
Moppen, das bedeutet Geld. Denn es handelt sich bei diesen Moppen-Ausschüssen um Gremien, in denen sich Kommunalpolitiker - und mittelbar durch Abführungsvereinbarungen auch Parteien - zusätzliche Einnahmen verschaffen können.

Was qualifiziert ein normales Stadtratsmitglied für einen Aufsichtsrat?
In der Stadt Dinslaken (70.000 Einwohner) am Niederrhein, nicht weit entfernt von der holländischen Grenze, herrscht seit einigen Monaten Aufregung, weil es einzelne Ratsvertreter gewagt haben, dieses System grundsätzlich in Frage zu stellen. Ihre Argumente sind so simpel wie einleuchtend.
Was qualifiziert eigentlich ein ganz normales Mitglied eines Stadtrates dazu, Unternehmen wie eine Sparkasse oder ein städtisches Versorgungsunternehmen zu kontrollieren? Wie effektiv ist so etwas? Warum müssen diese Gremien oft so aufgebläht sein? Reichen zur Kontrolle eines städtischen Unternehmens nicht Gesellschafterversammlung und professionelle Wirtschaftsprüfer aus?
Mit Kritik am System macht man sich keine Freunde
Das sind Fragen, mit denen man sich bei den Ratskollegen keine Freunde macht, wie Bernd Helmut Minzenmay inzwischen gelernt hat. Er ist das letzte verbliebene Ratsmitglied der FDP in Dinslaken und wird nach eigener Aussage inzwischen von den meisten Kollegen im Stadtrat nicht einmal mehr gegrüßt. Der Grund ist seine öffentliche Kritik am System der Moppen-Ausschüsse in der Stadt.
Bis Dezember 2014 hätten sich 46 Ratsmitglieder insgesamt 68 Aufsichtsratsposten geteilt, sagt er. Weil sich wohl 13 unterversorgt gefühlt hätten, sei ein neues Tochterunternehmen der Stadtwerke gegründet worden, das zwar nur einen Mitarbeiter, den Geschäftsführer, hatte, dafür aber einen 13-köpfigen Aufsichtsrat. Pro Legislaturperiode würden mehr als eine Million Euro für die diversen Aufsichtsmandate verteilt – Kosten von fast 21.800 pro Ratsmitglied, durchschnittlich 300 im Moment zu den rund 400 Euro monatlicher Aufwandsentschädigung für das Ratsmandat.

Wer prüft die Effizienz der Gremien?
Dinslaken steht nur exemplarisch für ein System, das überall in Deutschland üblich ist. Dabei soll keineswegs verschwiegen werden, dass Kommunalpolitiker viel Arbeit und Zeit investieren müssen für eine häufig lächerlich geringe Aufwandsentschädigung. Aber bitte, dann muss man diese eben anheben und dem Bürger erklären, warum das notwendig ist, statt „Umwege“ zu organisieren.
Kontrolle muss sein in einer demokratischen Gesellschaft, auch und gerade, wenn es um Unternehmen im Staatsbesitz geht, bei denen viel Geld umgesetzt und auch für kommunale Aufgaben erwirtschaftet wird. Aber wer hinterfragt das System der Gremien? Wer prüft die Effizienz der Gremien und die Qualifikation der Aufpasser für eine solche Tätigkeit? Und wer sucht nach Synergien? Wer fragt, ob man für den Aufsichtsrat einer kommunalen Solarfirma mit nur einem Angestellten einen 13-köpfigen Aufsichtsrat benötigt? Minzenmay hat das getan und beantragt, ein Gutachten dazu in Auftrag zu geben. Der Stadtrat lehnte mit großer Mehrheit ab.

Über den Autor
Klaus Kelle ist Kolumnist und Medienunternehmer. Der gelernte Journalist hat in 30 Jahren Berufstätigkeit u. a. für Medienhäuser wie Axel Springer, Gruner & Jahr und den norwegischen Schibsted Konzern gearbeitet. Heute schreibt er politische Kolumnen und Kommentare für Zeitungen und Web-Blogs. Informationen unter kellecom.de 

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