Montag, 14. Mai 2018

Angele: Schirrmacher. Ein Porträt.

Ich schaue beim Lesen von Zeitungsartikeln meist erst am Schluss nach, wer der Verfasser des Artikels war. Und das auch nicht immer. Hier also am Ende: Adrian Kreye hat diese Rezension geschrieben. Erschienen heute in der SZ auf Seite 12. Und diese Besprechung reizt zu einer kleinen Rezension der Rezension. 

Biografie. Feuer und Tratsch. | Ein boshaftes Buch: Michael Angele porträtiert den FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher und vergisst über dem Anekdotischen das publizistische Projekt des Journalisten.

Ich stocke zum ersten Mal schon ziemlich am Anfang:

"Fast sämtliche Figuren sind nur Beweismittel für die These, dass es sich bei Frank Schirrmacher um einen Machtmenschen mit zweifelhaften Methoden und Motiven gehandelt habe."

Meine erste Frage ist: Könnte denn aber vielleicht an der These was dran sein? Das ist doch die Frage!

Ich kenne Schirrmacher nur von ein paar Auszugslektüren. Ach ja -- und von dem Tag, an dem ich seinen Namen zum ersten Mal in der Zeitung gelesen habe. Aus dem Gedächtnis: Reich-Ranicki hatte Schirrmacher Talent und eine große Zukunft bescheinigt. 

Ohne gute Gründe habe ich Schirrmacher nach seinem Tod in jene Gruppe von BRD-Kulturberühmtheiten gesteckt, die ihren frühen Tod nicht richtig verkraftet haben. So to say. Wenn sie noch Gelegenheit hatten, dann haben sie auch wortreich klargestellt, wie ungerecht es doch sei, dass ausgerechnet sie, die Hochbegabten und noch dazu Erfolgreichen, jetzt, wo es gerade angefangen habe, schön zu sein in dieser Welt, diese Welt auch schon wieder verlassen müssten. Wolfgang Herrndorf und Christoph Schlingensief fallen mir da immer spontan ein. Schirrmacher ist 2014 an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben. Da blieb, wie auch bei Peter Koslowski zwei Jahre vorher, keine Zeit mehr für derlei larmoyante Einlassungen.

Noch einmal zurück zu Reich-Ranickis Voraussage. Damals war Schirrmacher quasi aus dem Nichts aufgetaucht. Für mich jedenfalls, der ich in solchen Dingen vielleicht einfach nicht gut genug informiert war. Ein Jüngelchen mit dickem Gesicht. (Der Vergleich, den Kreye aus der Biographie von Angele überliefert, Karlsson vom Dach, will mir rückblickend eigentlich ganz passend für diesen Eindruck erscheinen.) 

Gestern habe ich in einem vollkommen anderen Zusammenhang am Kaffeetisch gesagt, dass ich im Lauf der Zeit zu der Überzeugung gekommen sei, die verschiedenen Menschengruppen erkännten die, die zu ihnen gehörten, quasi am Geruch. Vielleicht etwas eleganter: an der speziellen Ausstrahlung dieser Menschen. Die Verkäufer die Verkäufer, die Journalisten die Journalisten. Die Wissenschaftler die Wissenschaftler. Ein gewisses Können im jeweiligen Metier sei natürlich Voraussetzung. Aber eben nur Voraussetzung. Reich-Ranicki hat bei Schirrmacher offenbar erkannt: Das ist einer von uns! 

Und jetzt Kreye: Es will mir scheinen, dass er Schirrmacher als "einen von uns" verteidigt, gegen einen, der nur halb zu der eigenen Truppe gehört: Angele, "Journalist und Literaturwissenschaftler", wie er eingeführt wird.

Jedenfalls:

Michael Angele: Schirrmacher: Ein Porträt. Aufbau-Verlag, Berlin 2018. 222 Seiten, 20 Euro. Das Buch erscheint am 18. Mai.

Ich werde es lesen. Es kommt sehr selten vor, dass ich ein Buch wegen und gegen eine Rezension lese. Jetzt ist es mal wieder soweit. Ob gekauft oder aus der Stadtbibliothek entliehen, muss sich noch entscheiden. Nach der Lektüre von ein paar anderen Besprechungen.

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In der Wikipedia nachgelesen. Das alles wusste ich nicht. Da sieht man's mal wieder. Schlecht informiert. Aber dennoch: sehr neugierig!

Promotion | Die Promotion wurde Gegenstand einer kritisch geführten öffentlichen Diskussion. Schirrmacher hat an der Universität-Gesamthochschule Siegen eine Dissertation eingereicht, deren Text sehr weitgehend mit dem einer im Februar 1987 von ihm publizierten Arbeit (Verteidigung der Schrift. Kafkas „Prozess“ (edition suhrkamp, ...) übereinstimmt. Ein Vergleich der beiden öffentlich verfügbaren Texte ergab, dass sich die insgesamt 180 Seiten umfassende Promotionsschrift von dem Suhrkamp-Aufsatz nur durch eine 10 Seiten starke Einleitung und einen ebenfalls neu formulierten sogenannten zweiten Teil, der noch einmal 22 Seiten ausmacht, unterscheidet. Der Text des bei Suhrkamp publizierten Buches wiederum war nach Auskunft der beiden an der Magisterprüfung beteiligten Gutachter der Germanistischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg weitgehend identisch mit dem von Schirrmachers Magisterarbeit aus dem Jahr 1984, die als verschwunden und nicht verfügbar gilt. [Schlampiges Dekanat!] | Die Universität-Gesamthochschule Siegen war über die Publikation des vorgelegten Textes bei Suhrkamp informiert und die Promotionsordnung dieser Universität ließ die Annahme bereits veröffentlichter Arbeiten in Ausnahmefällen zu. Kritiker führten an, dass die Doppelverwertung ein und derselben wissenschaftlichen Arbeit dem Ziel der guten wissenschaftlichen Praxis entgegenstehe, eine originäre Arbeit abzuverlangen, die wissenschaftlich Neues bietet. Siegfried Unseld kommentierte die Kritik, es sei damit „aus einem höchstmöglichen Nichts an Inhaltlichem die höchstmögliche Wirkung von Häme“ ermittelt worden.