Donnerstag, 13. Juni 2019

Jürgen Habermas, der berühmte und weise

Das übernehmen wir mal aus den ZEIT-Kommentaren:

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Es steht in der aktuellen ZEIT auf der Titelseite und dann später im Feuilleton:

"Einige Epochen später feiert jetzt Jürgen Habermas, für manche der bedeutendste, mit Sicherheit der berühmteste Philosoph der Gegenwart, seinen 90. Geburtstag."

Nun sind solche Sätze an 90. Geburtstagen nicht auf die Goldwaage zu legen, schon klar. Aber dann doch -- wenn es um einen Philosophen geht?

Schnell, ich kann es nicht verhindern, wandert der Gedanke zu einem Begriff. Dem der "operationalen Definition". Natürlich auch da verschiedene Auslegungen. Mal eine Kurzfassung: Wir definieren ein Wort -- hier "berühmt / berühmteste" -- so, dass wir die Methode der Verifikation eines Satzes mit einfordern. Wie überprüft man, ob der Teilsatz "Habermas ist der berühmteste Philosoph der Gegenwart" wahr ist? Gar nicht? Weil Geburtstag ist und man kein Spielverderber sein will? Oder vielleicht, ansatzweise doch mal so (der Konkurrent ist mir schlicht als erster eingefallen), via Google:

International:
jürgen habermas philosophy > 1.520.000 Ergebnisse
thomas nagel philosophy > 2.190.000 Ergebnisse

Deutschland:
jürgen habermas philosoph > 114.000 Ergebnisse
thomas nagel philosoph > 159.000 Ergebnisse

Dem klugen Verfasser wird natürlich ein Grund einfallen, weshalb man so nicht vorgehen dürfe. Da fragen wir dann: Wie denn dann? Und warten auf seine Antwort. Wenn er sagt: Das habe er so -- gefühlt, das mit dem berühmtesten, dann ist der Unterschied zwischen analytischer und transzendentaler Philosophie klar.

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Teil zwei meiner Anmerkungen:

Warum hat Jürgen Habermas in der Linguistik nie wirklich Fuß fassen können? Wo er doch gleich zwei dicke Bände zur "Theorie des kommunikativen Handelns" geschrieben hat! (Natürlich wird er pflichtschuldigst pro einschlägiger Dissertation zwei- bis dreimal zitiert. Man muss ihn schon kennen. Aber darüber hinaus?)

Schlichtweg: Weil die Linguisten sich der realen Sprache und dem realen sprachlichen Handeln verpflichtet fühlen. Sie sehen sich um und müssen einräumen, dass sie nirgendwo einen "herrschaftsfreien Diskurs" sehen und auch nirgendwo einen halbwegs realistischen Weg hin zu diesem Diskurs. Und der "zwanglose Zwang des besseren Arguments"? Es ist und bleibt eine idealistische Schimäre.

Wer das nicht sieht, der muss nur mal einen Tag lang bei den ZEIT-Kommentaren und in den Wikipedia-Diskussionen mitlesen!

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