Nachdenken über Todesarten. Das gibt es schon. Denken wir nur an Ingeborg Bachmann. Aber Argumentierensarten? Nein. Darüber nachzudenken ist weitaus schwieriger. Gegen den Strich+ zu denken ist ein zentraler Teil dieses Nachdenkens. Und das Ergebnis des Nachdenkens dann auch noch formulieren! Das ist nicht einfach. Nein, bestimmt nicht. Man muss seinen eigenen Gedanken auflauern. Sozusagen.
Beispiel, heute morgen, beim Rasieren. Passenderweise. Ich muss an Kurt Beck denken. An einen Arbeitslosen, der es nicht zum Ministerpräsidenten gebracht hat und Becks fröhlich-populistische Einlassungen: "Waschen und rasieren, dann kriegen Sie auch einen Job!" Wir erinnern uns.
Jetzt die komplexe Argumentation:
Ich will hier nicht die Arbeitslosen in Schutz nehmen, die immer nur die anderen für ihre Lage verantwortlich machen. Vielleicht war dieser Mann einer. Kann alles sein.
Aber: Vor versammelter Mannschaft von einem, der es in die vorletzten Spitzen der Gesellschaft geschafft hat, geschurigelt zu werden, das ist nicht gerade angenehm. Und dieses Tun ist nicht gerade stilvoll.
Oder anders herum. (Ich weiß, dass das auch nicht stilvoll ist; aber es dient der Verdeutlichung.) Wenn ich vor Kurt Beck hinträte und sagte: "Jetzt rasieren Sie sich mal erst, nehmen Sie 20 Kilo ab, gehen Sie zum Muskelaufbautraining und gleichzeitig zum Rhetorikunterricht, um Ihren komischen Pfälzer Rest-Akzent wegzutrainieren. Dann werden Sie schon wieder SPD-Vorsitzender!"
Wäre das fein? Natürlich nicht. Natürlich ist das das typische argumentum ad hominem. Aber es wäre auch vergleichbar mit Becks eigener Sottise. Und unterm Strich und in Sachen Argumentationsarten: Die Grenze zwischen korrektem und nicht-mehr-korrektem Reden ist notorisch vage, und wir sollten gelegentlich mal darüber nachdenken, wo wir die Grenzpfähle einschlagen wollen.
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+ A rebours. Das wunderbar bescheuerte Buch von Joris-Karl Huysmans aus dem Jahr 1884 sollte ich wieder mal lesen. Auf Englisch gibt es das auch noch im Internet. Against the Grain. Erstaunlich.
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