Freitag, 26. Februar 2016

"Der Islamist liebt das Leben nicht"

Wenn eine Bewegung laut genug schreit, auch vieles Wertvolle zerschlägt, kurz: sich über einen längeren Zeitraum hin Aufmerksamkeit der Welt sichert, dann kommen die klugen Interpreten und machen so ihre Vorschläge. Hier ist einer davon, von Kamel Daoud:

Der Islamist liebt das Leben nicht || Ist der Flüchtling also ein „Wilder“? Nein. Er ist nur anders, und um sich von allem freizukaufen, genügt es nicht, ihn aufzunehmen, indem man ihm Papiere ausstellt und ihn in einer Gemeinschaftsunterkunft unterbringt. Es gilt, nicht nur dem Körper Asyl zu gewähren, sondern auch die Seele von der Notwendigkeit einer Veränderung zu überzeugen. Der Andere kommt aus jenem riesigen schmerzvollen und grauenhaften Universum, welches das sexuelle Elend in der arabisch-muslimischen Welt darstellt, mit ihrem kranken Verhältnis zur Frau, zum Körper und zum Begehren. Ihn aufzunehmen heißt noch nicht, ihn zu heilen. (faz.net, mit langer Diskussion)

Dann die Kritik dazu:

Etwa ein Dutzend Wissenschaftler, überwiegend Historiker wie Noureddine Amara und Soziologen wie Benoît Challand, hatten ihn für seine groben Verallgemeinerungen kritisiert - weder seien die „Länder Allahs“ ein einheitlicher Raum, noch sei jede Handlung der dort lebenden Menschen von Religion determiniert. Mit seinen Anschuldigungen „bedient Daoud nur die islamophoben Phantasien eines wachsenden Teils der europäischen Öffentlichkeit“. Besonders sein Aufruf zur Verteidigung westlicher Werte erinnert sie an jene mission civilisatrice, die, ausgehend von der angenommenen Überlegenheit des Westens, jahrzehntelang als Legitimierung vor allem der französischen Kolonialpolitik diente. (faz.net)

Tja, das immer greifende Argument, die Forderung, dass man nicht pauschalisieren dürfe. "Den Apfel" gibt es nicht. Es gibt große und kleine, gut und schlecht schmeckende (und da noch mal nach Geschmäckern der Esser unterschiedlich beurteilt). Zu früh oder zu spät oder genau richtig gepflückte Äpfel. Fallobst in unterschiedlichen Stadien des Verfaulens. Usw. Wie kann man dann noch über "den Apfel" an sich etwas sagen? 

Ist das gehobenes kritisches Denken, wenn man dieses Differenzierungsgebot wie einen Knüppel schwingt, kaum, dass einer etwas sagt? Kann man, wenn alles so differenziert werden muss, überhaupt noch miteinander reden? Die dümmsten lernen in der Klippschule, dass man jedes Gespräch, jede Kommunikation auf den Differenzierungsrammbock auflaufen lassen kann, wenn man, kaum hat jemand von X gesprochen, antwortet: "Jetzt muss du aber erst mal X definieren!"

Auf der anderen Seite, jaja: Die Flüchtlinge sind nicht alle Islamisten. Es sind nur wenige Islamisten unter den Flüchtlingen. Aber die Islamisten, die gewaltbereiten und gewalttätigen, in der Masse zu finden, bedeutet einen hohen, einen extremen Aufwand. Und dann jedem Islamisten auch noch einen Therapeuten an die Seite zu stellen, ohne Sicherheit, dass die Therapie jemals gelingt? Da sind wir wieder auf der Seite der Skeptiker, die locker fragen: Wer soll das eigentlich alles organisieren? Und dann auch noch: bezahlen?